Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Alles hängt vom Glück ab. Man hat eben Glück, oder man hat keins. Man darf nicht erst lange überlegen. Immer wenn ich überlegt habe, bin ich beinahe auf der Strecke geblieben … Schauen Sie, solange ich diesen Herrn da mit seiner kecken Miene, als wollte er alles verschlingen, fest auf seinem Posten stehen sehe, kaufe ich.«
    Mit einer Gebärde hatte er auf Saccard gewiesen, der eben eintraf und sich an seinen gewohnten Platz begab, am Pfeiler der ersten Arkade links. Wie alle Chefs bedeutender Häuser hatte er einen Platz, den jeder kannte und wo ihn die Angestellten und Kunden an den Börsentagen mit Sicherheit antrafen. Allein Gundermann zog es vor, den großen Börsensaal nie zu betreten, und schickte nicht einmal einen offiziellen Vertreter; aber man spürte, daß er hier eine Armee hatte, er herrschte hier in Abwesenheit als unumschränkter Gebieter durch das zahllose Heer der Remisiers und Makler, die seine Orders brachten, ganz zu schweigen von seinen Kreaturen, deren es so viele gab, daß jeder Anwesende vielleicht insgeheim ein Soldat Gundermanns war. Und gegen diese unfaßbare, überall operierende Armee kämpfte Saccard persönlich mit offenem Visier. Hinter ihm an der Ecke des Pfeilers stand eine Bank, aber er setzte sich nie, er stand die zwei Stunden, als kennte er keine Müdigkeit. Manchmal, wenn er sich gehenließ, lehnte er sich einfach mit dem Ellbogen gegen den Stein, der von all diesen Berührungen in Mannshöhe schwarz und glänzend geworden war; in der blassen Kahlheit dieses Bauwerks war der glänzende Schmutzstreifen an den Türen und Wänden, auf den Treppen und im Saal sogar ein charakteristisches Merkmal, ein widerlicher Sockel aus Schweiß, den Generationen von Spekulanten und Dieben hinterlassen hatten. Wie alle Börsianer war Saccard sehr elegant, sehr korrekt gekleidet mit seinem feinen Tuch und seiner blendendweißen Wäsche und trug zwischen diesen schwarzgeränderten Wänden die freundliche, ausgeruhte Miene eines sorgenfreien Mannes zur Schau.
    »Wissen Sie«, sagte Moser und dämpfte die Stimme, »daß man ihn beschuldigt, er treibe die Kurse durch beträchtliche Käufe in die Höhe? Wenn die Banque Universelle mit ihren eigenen Aktien spekuliert, ist sie verloren.«
    Aber Pillerault erhob Einspruch.
    »Wieder so ein Gerede! Kann man denn genau sagen, wer verkauft und wer kauft? Er ist für die Kunden seiner Bank hier, was ganz natürlich ist. Und er ist auch auf eigene Rechnung hier, denn er muß spekulieren.«
    Moser beharrte nicht weiter. Noch hätte niemand an der Börse zu behaupten gewagt, daß Saccard einen schrecklichen Feldzug führte und unter dem Deckmantel von Strohmännern wie Sabatani, Jantrou und anderen, vor allem Angestellten aus seiner Direktion, auf Rechnung der Gesellschaft Ankäufe tätigte. Nur ein Gerücht lief um, das man sich ins Ohr flüsterte; es wurde in Abrede gestellt und entstand immer wieder neu, obwohl kein Beweis möglich war. Zunächst hatte er die Kurse nur vorsichtig gestützt und wieder verkauft, sobald er konnte, um die Kapitalien nicht allzusehr zu binden und die Kassen nicht mit Effekten vollzustopfen. Aber er war jetzt in den Kampf hineingerissen worden, und er hatte für diesen Tag die Notwendigkeit von übermäßigen Käufen vorausgesehen, wenn er Herr des Schlachtfeldes bleiben wollte. Seine Orders waren erteilt, wie an gewöhnlichen Tagen trug er seine lächelnde Ruhe zur Schau, trotz seiner Unsicherheit über das Endergebnis und trotz der Unruhe, die er empfand, weil er sich so immer mehr auf einen Weg begab, von dem er wußte, daß er erschreckend gefährlich war.
    Moser war hinter dem Rücken des berühmten Amadieu, der lange mit einem gewitzten kleinen Mann verhandelte, umhergeschlichen und kam plötzlich ganz aufgeregt zurück.
    »Ich habe es gehört«, stotterte er. »Mit meinen eigenen Ohren habe ich es gehört … Er hat gesagt, Gundermanns Verkaufsorders übersteigen zehn Millionen … Oh, ich verkaufe, ich verkaufe, ich würde sogar mein Hemd verkaufen!«
    »Zehn Millionen, verflucht!« murmelte Pillerault, und seine Stimme klang ein wenig verändert. »Das ist ja ein wahrer Krieg bis aufs Messer!«
    Und in dem grollenden Lärm, der anschwoll und in den sich die Privatgespräche mischten, wurde nur noch dieses grausame Duell zwischen Gundermann und Saccard ausgetragen. Man konnte die Worte nicht verstehen, aber das allein erfüllte den Raum und grollte so laut: die ruhige, logische Beharrlichkeit des einen, zu

Weitere Kostenlose Bücher