Das Geld - 18
verkaufen, und die fiebernde Sucht, immer weiter zu kaufen, die man beim anderen vermutete. Die einander widersprechenden Nachrichten, die anfangs nur gemurmelt wurden, gellten am Ende wie Trompetenstöße. Manche schrien, sobald sie den Mund auftaten, um sich in dem Getöse verständlich zu machen, während andere sich geheimnisvoll zum Ohr ihrer Gesprächspartner neigten und sehr leise redeten, selbst wenn sie nichts zu sagen hatten.
»Ach was, ich bleibe bei der Hausse!« verkündete Pillerault, schon wieder sicher. »Die Sonne draußen scheint zu schön, alles wird noch weiter steigen.«
»Alles wird zusammenbrechen«, entgegnete Moser mit seiner wehleidigen Hartnäckigkeit. »Wir bekommen bald Regen, ich hatte heute nacht einen Anfall.«
Aber Salmon, der ihnen zuhörte, lächelte so spitz, daß beide unzufrieden waren, weil ihnen die Gewißheit fehlte. Hatte dieser Teufelskerl, der so ungemein schlau, so unergründlich und verschwiegen war, etwa eine dritte Methode gefunden, indem er weder auf Hausse noch auf Baisse setzte?
Saccard an seinem Pfeiler sah den Ansturm seiner Schmeichler und Kunden immer größer werden. Pausenlos wurden ihm Hände entgegengestreckt, und er schüttelte sie alle mit derselben glücklichen Unbekümmertheit, legte in jeden Händedruck eine Siegesverheißung. Manche, die zu ihm kamen, wechselten nur ein Wort und gingen verzückt wieder davon. Viele waren ausdauernd und wichen nicht mehr von seiner Seite, stolz darauf, zu seiner Gruppe zu gehören. Oft zeigte er sich liebenswürdig, ohne daß ihm einfiel, wie die Leute hießen, die mit ihm sprachen. So mußte ihm Hauptmann Chave den Namen Maugendres sagen, sonst hätte er diesen nicht erkannt. Der Hauptmann, der sich mit seinem Schwager ausgesöhnt hatte, drängte ihn zum Verkaufen; aber der Händedruck des Direktors entfachte in Maugendre grenzenlose Hoffnung. Dann bat Sédille, der Administrator und große Seidenfabrikant, um eine Unterredung von einer Minute. Seine Firma war in Gefahr, sein ganzes Vermögen steckte in der Banque Universelle, so daß die mögliche Baisse für ihn den Ruin bedeuten mußte. Als ängstlicher Mensch, den die Leidenschaft verzehrte und der nebenbei auch noch Ärger mit seinem Sohn Gustave hatte, der bei Mazaud keineswegs einschlug, empfand er das Bedürfnis, beruhigt und ermutigt zu werden. Saccard klopfte ihm auf die Schulter und entließ ihn voll Zuversicht und Begeisterung. Nun folgte ein ganzes Defilee: Kolb, der Bankier, der seit langem verkauft hatte, aber den Zufall nutzen wollte; der Marquis de Bohain, der mit der hochmütigen Herablassung des Grandseigneurs so tat, als besuchte er die Börse nur aus Neugier und Langeweile; sogar Huret, der nicht lange grollen konnte und zu geschmeidig war, um nicht bis zum Tag des endgültigen Unterganges jedermanns Freund zu bleiben, kam und wollte sehen, ob es nichts zu erhaschen gäbe. Aber als Daigremont erschien, traten alle beiseite. Er war sehr mächtig, man bemerkte seine Liebenswürdigkeit, seine zuversichtliche, kameradschaftliche Art zu scherzen. Die Haussiers strahlten, denn er stand in dem Ruf eines geschickten Mannes, der ein Haus beim ersten Knistern im Gebälk zu verlassen weiß; man konnte also sicher sein, daß es in der Banque Universelle noch nicht knisterte. Schließlich kamen da andere vorüber, die mit Saccard lediglich einen Blick wechselten, seine Leute, die Angestellten, die die Orders zu erteilen hatten, aber auch auf eigene Rechnung kauften in jener Spekulationswut, die wie eine Seuche das Personal in der Rue de Londres dezimierte; das Ohr an den Schlüssellöchern, lagen sie stets auf der Lauer und machten Jagd auf Börsentips. So ging zweimal Sabatani vorbei mit seiner weichlichen Anmut eines Italieners mit orientalischem Einschlag; er tat so, als sähe er den Chef gar nicht, während ein paar Schritte weiter, mit dem Rücken zu ihm, Jantrou unbeweglich vor den vergitterten Aushangkästen stand und ganz in die Lektüre der Depeschen von den Auslandsbörsen vertieft schien. Der Remisier Massias, der, immer im Trab, in die Gruppe hineinrannte, nickte nur kurz mit dem Kopf, zweifellos zur Bestätigung eines schnell erledigten Auftrags. Die Stunde der Eröffnung rückte näher, und das endlose Hinundhergewoge, der doppelte Menschenstrom, der den Saal durchfurchte, erfüllte ihn mit einem aus der Tiefe kommenden Beben und dem Brausen einer heranziehenden Flut.
Man wartete auf den ersten Kurs.
Mazaud und Jacoby, die aus dem
Weitere Kostenlose Bücher