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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geschäfte weiterzuführen, mit einem Sohn, aus dem das Elend vielleicht bald einen Betrüger machen würde, denn dieser Gustave, der den Freuden und den Festen nachjagte und vierzig- bis fünfzigtausend Francs Schulden hatte, war schon durch eine häßliche Geschichte kompromittiert, weil er Germaine Cœur Wechsel ausgestellt hatte. Und da war noch so ein armer Teufel, der Frau Caroline aufrichtig leid tat, der Remisier Massias, und sie hatte sonst weiß Gott keine Schwäche für diese Kuppler der Lüge und des Diebstahls! Nur hatte sie auch diesen gekannt, wie er mit seinen großen lachenden Augen wie ein geprügelter Hund Paris ablief, um ein paar magere Orders zu ergattern. Mochte er, der im Gefolge Saccards dem Glück Gewalt angetan hatte, einen Moment geglaubt haben, endlich auch zu den Herren des Marktes zu gehören – welch gräßlicher Sturz hatte ihn aus seinem Traum gerissen und mit gebrochenen Rippen zu Boden geschleudert! Er schuldete siebzigtausend Francs, und er hatte gezahlt, obwohl er sich wie so viele andere auf die Ausnahme beim Börsenspiel hätte berufen können; er hatte Freunde angeborgt und sich für sein ganzes Leben verpflichtet, um diese erhabene, nutzlose Dummheit zu begehen und zu zahlen, wofür ihm niemand Dank wußte, im Gegenteil: man zuckte die Achseln hinter ihm. Sein Groll brach sich nur gegen die Börse Bahn, er hegte wieder seinen Abscheu vor dem dreckigen Beruf, dem er dort nachging, meinte, man müsse Jude sein, um Erfolg zu haben, und fand sich doch damit ab, an der Börse zu bleiben, weil er nun einmal dazugehörte und eigensinnig die Hoffnung nicht aufgeben wollte, doch noch einmal dort das große Los zu gewinnen, solange er ein waches Auge und flinke Beine hatte. Unendliches Mitleid im Herzen von Frau Caroline erregten aber besonders die unbekannten Toten, die namenlosen Opfer, die keine Geschichte hatten. Sie waren Legion, sie lagen abseits im Gebüsch und in den grasüberwucherten Gräben, hinter jedem Baumstamm stieß man auf versprengte Leichen und angstvoll röchelnde Verwundete. Wieviel schreckliche stumme Dramen barg die Masse der armen kleinen Rentiers, der Kleinaktionäre, die alle ihre Ersparnisse in ein und demselben Papier angelegt hatten – die Conciergen, die sich zur Ruhe gesetzt haben, die blassen Jungfern, die mit ihrer Katze hausen, die kauzigen Pensionäre aus der Provinz mit ihrem pedantisch geregelten Leben, die Landpfarrer, die vom Almosengeben arm geworden sind, alle diese unscheinbaren Wesen, deren Haushaltsgeld ein paar Sous beträgt, so viel für die Milch, so viel für das Brot, alles so genau und so kärglich berechnet, daß zwei Sous weniger Katastrophen herbeiführen! Und plötzlich hatten sie nichts mehr, ihre Lebenskraft war gebrochen, hinweggerafft; alte zitternde Hände, die zur Arbeit unfähig sind und ratlos in der Finsternis tasten, alle diese bescheidenen, ruhigen Existenzen waren auf einmal entsetzlicher Not ausgeliefert! Hundert verzweifelte Briefe waren aus Vendôme gekommen, wo Herr Fayeux, der Kuponeinnehmer, das Unheil noch verschlimmert hatte, denn er war verschwunden. Als Depositar des Geldes und der Wertpapiere der Kunden, für die er an der Börse handelte, hatte er selbst ein schreckliches Spiel zu spielen begonnen; und da er verloren hatte und nicht zahlen wollte, hatte er sich mit ein paar hunderttausend Francs, die sich in seinen Händen befanden, aus dem Staub gemacht. Rings um Vendôme ließ er auf den entlegensten Pachthöfen Elend und Tränen zurück. So hatte der Zusammenbruch überall auch die Hütten erreicht. Und dieser Mittelstand, die kleinen Sparer, deren Verluste erst die Söhne nach Jahren harter Arbeit wieder wettmachen konnten, waren sie nicht die bemitleidenswerten Opfer wie nach den großen Seuchen?
    Schließlich machte sich Frau Caroline auf den Weg zu Mazaud. Und während sie zu Fuß die Rue de la Banque hinunterging, dachte sie an die Schläge, die seit zwei Wochen immerzu auf den Wechselmakler niederprasselten. Fayeux stahl ihm dreihunderttausend Francs, Sabatani hinterließ ihm eine unbezahlte Rechnung in fast doppelter Höhe, der Marquis de Bohain und die Baronin Sandorff weigerten sich ihrerseits, Differenzen von über einer Million zu bezahlen, Sédilles Konkurs belastete ihn ungefähr mit der gleichen Summe, ganz zu schweigen von den acht Millionen, die ihm die Banque Universelle schuldete, jene acht Millionen, die er Saccard geliehen hatte, ein so schrecklicher Verlust, daß die Börse von

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