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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Blut und Tränen gegeben? Brauchen Sie noch mehr Katastrophen, noch mehr ruinierte Familien, noch mehr unglückliche Menschen, die auf den Straßen betteln gehen müssen?«
    Er nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf und rief mit einer Gebärde hochmütiger Gleichgültigkeit aus:
    »Als ob das Leben danach fragte! Mit jedem Schritt, den man tut, werden Tausende von Existenzen zertreten.«
    Es herrschte Schweigen, sie folgte mit den Augen seinen Schritten und fühlte eisige Kälte im Herzen. War er ein Schurke, war er ein Held? Sie bebte, als sie sich fragte, welche Gedanken er gewälzt haben mochte in diesem halben Jahr, seit er in dieser Zelle eingesperrt war, ein besiegter Feldherr, den man zur Ohnmacht verurteilt hatte. Und jetzt erst schaute sie sich um: vier kahle Wände, das kleine eiserne Bettgestell, der weiße Holztisch, die beiden Strohstühle. Er, der inmitten eines verschwenderischen, glanzvollen Luxus gelebt hatte!
    Aber plötzlich setzte er sich wieder, die Glieder wie gelähmt vor Müdigkeit. Dann sprach er lange mit gedämpfter Stimme, und es war wie eine unfreiwillige Beichte.
    »Gundermann hatte ganz ohne Frage recht: Leidenschaftlichkeit bringt nichts ein an der Börse … Ach, dieser Schuft, wie kann er froh sein, daß er weder Blut noch Nerven hat, daß er mit keiner Frau mehr schlafen und keine Flasche Burgunder mehr trinken kann! Ich glaube übrigens, er ist immer so gewesen, er hat Eis in seinen Adern … Ich bin zu leidenschaftlich, das liegt auf der Hand. Der Grund für meine Niederlage ist nirgendwo anders zu suchen, nur deshalb habe ich mir so oft das Genick gebrochen. Aber ich muß hinzufügen: so wie meine Leidenschaft mich zugrunde richtet, läßt sie mich auch leben. Jawohl, sie reißt mich mit, sie macht mich groß, sie trägt mich hoch empor, und dann wirft sie mich nieder und zerstört auf einen Schlag ihr ganzes Werk. Genießen ist vielleicht überhaupt nur ein Sichverzehren … Gewiß, wenn ich an diese vier Jahre Kampf denke, erkenne ich, daß alles, was ich mir gewünscht, was ich besessen habe, mich verraten hat … Das muß unheilbar sein. Ich bin erledigt.«
    Nun packte ihn der Zorn auf seinen Bezwinger.
    »Ach, dieser Gundermann, dieser dreckige Jude, der nur triumphiert, weil er keine Begierden kennt! Ein hartnäckiger, kaltblütiger Eroberer, verkörpert er die ganze Judenschaft, die auf die unumschränkte Weltherrschaft losmarschiert und sich ein Volk nach dem anderen durch die Allmacht des Goldet unterwirft. Seil Jahrhunderten überfällt uns die Rasse und triumphiert, obwohl sie bespuckt und mit Fußtritten traktiert wird. Gundermann besitzt bereits eine Milliarde, und er wird zwei, zehn bekommen, hundert Milliarden sein eigen nennen und eines Tages der Herr der Erde sein … Seit Jahren schreie ich das in alle Welt hinaus, niemand scheint mich zu hören, man glaubt, das sei lediglich der Verdruß eines Börsenmannes, und dabei ist es der Ruf meines Blutes. Ja, der Haß auf die Juden sitzt mir unter der Haut, er kommt von weit her und hat tiefe Wurzeln in meinem Wesen!«
    »Wie eigenartig!« murmelte leise Frau Caroline, aus der das große Wissen sprach und die allseitige Toleranz. »Für mich sind die Juden Menschen wie alle anderen. Wenn sie außerhalb der Gesellschaft stehen, so deshalb, weil man sie dahin gestellt hat.«
    Saccard, der gar nicht zugehört hatte, fuhr noch heftiger fort:
    »Und was mich erbittert, ist, daß die Regierungen als Komplicen diesem Lumpenpack zu Füßen liegen. Ist nicht das Kaiserreich schon genug an Gundermann verkauft? Kann man denn ohne Gundermanns Geld nicht regieren? Rougon, mein großer Herr Bruder, hat sich wahrhaftig mehr als ekelhaft gegen mich benommen; ich habe es Ihnen nicht gesagt, aber ich war so feige zu versuchen, mich vor der Katastrophe mit ihm auszusöhnen, und wenn ich hier bin, so deshalb, weil er es gewollt hat. Aber macht nichts, wenn ich ihm im Wege bin, soll er mich abschieben! Ich grolle ihm trotzdem nur wegen seines Bündnisses mit diesen dreckigen Juden … Haben Sie je darüber nachgedacht? Die Banque Universelle wird abgewürgt, damit Gundermann weiter seine Geschäfte machen kann! Jede katholische Bank, die zu mächtig wird, stellt eine soziale Gefahr dar und wird zugrunde gerichtet, damit die Judenschaft, die uns noch einmal auffressen wird, und zwar bald, endgültig triumphieren kann … Oh, Rougon soll sich hüten! Er wird zuerst von den Gundermanns aufgefressen, hinweggefegt werden von dieser Macht, an

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