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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der Banque Universelle auch die Türkische Nationalbank zusammengebrochen, aber die Allgemeine Gesellschaft der vereinigten Dampfschiffahrtslinien hielt sich und gedieh. Frau Caroline sah wieder die märchenhaft schöne Küste von Beirut, wo inmitten riesiger Lagerhallen die Verwaltungsgebäude aufragten, deren Plan sie gerade abstäubte: Marseille vor den Toren Kleinasiens, das Mittelmeer war erobert, die Nationen waren einander nähergebracht, vielleicht sogar befriedet. Und jene Schlucht im Karmel, dieses Aquarell, das sie von der Wand nahm – wußte sie nicht durch einen Brief, den sie kürzlich erhalten hatte, daß dort jetzt ein ganzes Volk heranwuchs? Aus dem Dorf von fünfhundert Einwohnern, das zunächst um die neu erschlossene Silbermine entstanden war, war eine Stadt von mehreren tausend Seelen geworden; die Zivilisation mit ihren Straßen, Fabriken und Schulen belebte jetzt diesen toten, verwilderten Landstrich. Dann waren da die Trassen, die Vermessungen und die Durchstiche für die Eisenbahnstrecke von Brussa über Angora und Aleppo nach Beirut, eine Serie von großen Blättern, die sie eines nach dem anderen zusammenrollte. Sicher würden noch Jahre vergehen, bevor zischende Lokomotiven die Taurus-Pässe überqueren, aber schon flutete von überall das Leben heran, in den Boden der alten Völkerwiege war der Same für ein neues Menschengeschlecht eingebracht worden, in diesem wunderbaren Klima unter der hellen Sonne würde mit der Kraft einer üppigen Vegetation der Fortschritt von morgen emporsprießen. War dies nicht das Erwachen einer Welt, die die Menschheit größer und glücklicher machen sollte?
    Frau Caroline verschnürte jetzt mit einem dicken Bindfaden das Paket mit den Plänen. Ihr Bruder, der sie in Rom erwartete, wo sie beide ihr Leben von vorn beginnen wollten, hatte ihr sehr ans Herz gelegt, diese Pläne sorgfältig einzupacken; und als sie die Knoten festzog, mußte sie an Saccard denken. Sie wußte, er war in Holland und hatte sich dort erneut in ein riesenhaftes Unternehmen gestürzt; es ging um die Trockenlegung ausgedehnter Sümpfe, durch ein weitverzweigtes Kanalsystem sollte dem Meer ein kleines Königreich abgerungen werden. Er hatte recht: das Geld war noch immer der Misthaufen, auf dem die Menschheit von morgen heranwuchs; das vergiftende, zerstörerische Geld wurde zum Gärstoff für jegliches soziale Wachstum, zum notwendigen Humus für die großen Werke, die das Dasein erleichterten. Sah sie diesmal endlich klar, kam ihre unbezwingliche Hoffnung diesmal aus ihrem Glauben an die Nützlichkeit angestrengter Arbeit? Mein Gott, wieviel Schlamm wird überall aufgewühlt, wie viele Opfer werden zermalmt, wieviel abscheuliches Leid kostet jeder Schritt, den die Menschheit vorwärts tut – aber winkte nicht über alledem ein unbekanntes, fernes Ziel, etwas Hohes, Gutes, Gerechtes, Endgültiges, dem wir entgegenschreiten, ohne es zu wissen, und das unser Herz mit dem hartnäckigen Verlangen nach Leben und Hoffnung erfüllt?
    So war Frau Caroline, mit dem noch immer jugendlichen Antlitz unter ihrer weißen Haarkrone, als hätte sie sich mit jedem neuen April auf der alternden Erde verjüngt, trotz alledem froh. Wie sie sich der Beschämung erinnerte, die sie über ihr Verhältnis mit Saccard empfunden hatte, wurde ihr bewußt, daß man auch die Liebe auf erschreckende Weise in den Kot gezogen hat. Warum also das Geld für all die Gemeinheiten und Verbrechen strafen wollen, deren Ursache es ist? Ist die Liebe, die das Leben schafft, denn weniger besudelt?
     

Anmerkungen
    1
Wechselmakler
– behördlich zugelassener Börsenagent, der berechtigt ist, Börsengeschäfte zu tätigen. Die Zahl der Wechselmakler war in Paris auf 70 beschränkt. Ihre Gesamtheit bildet das sogenannte Parkett (ein Ausdruck, der eigentlich den ihnen vorbehaltenen Raum in der Börse bezeichnet). Die Stellen der Börsenagenten sind verkäuflich, d.h., der Inhaber hat das Recht, seinen Nachfolger zu empfehlen. An der Pariser Börse verlangten diese Stellen eine besonders hohe Kaution, so daß oft mehrere Personen eine Gesellschaft bildeten, um eine Stelle übernehmen zu können. Die Börsenagenten unterstehen der Disziplinargewalt eines aus ihrer Mitte hervorgegangenen Syndikats.
     
    2
Orders
– Kauf- oder Verkaufsaufträge für Wertpapiere.
     
    3
Haussier
– Börsenspekulant, der auf ein Steigen der Börsenkurse spekuliert.
     
    4
Corbeille
– der den Börsenagenten vorbehaltene Raum im

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