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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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beanspruchen. Die Arbeitsstunde ist das allgemeine Maß, ein Gegenstand ist nur so viel wert, wie er Arbeitsstunden gekostet hat; der Austausch zwischen den Produzenten erfolgt nur noch mit Hilfe der Arbeitsgutscheine, und zwar unter Aufsicht der Gemeinschaft, ohne daß eine andere Abgabe erhoben wird als die Einheitssteuer für die Erziehung der Kinder, die Versorgung der Alten, die Erneuerung der Werkzeuge und die unentgeltliche Inanspruchnahme der öffentlichen Dienste … Das Geld ist abgeschafft, so daß es keine Spekulation mehr gibt, keinen Diebstahl, keinen Schacher, keines dieser Verbrechen, die aus Habgier begangen werden; niemand heiratet mehr ein Mädchen wegen seiner Mitgift oder erwürgt seine alten Eltern wegen der Erbschaft oder schlägt einen Passanten wegen seiner Geldbörse tot … Es gibt keine feindlichen Klassen mehr, keine Unternehmer und keine Arbeiter, keine Proletarier und keine Bourgeois und dadurch auch keine einschränkenden Gesetze und Gerichte, keine bewaffnete Macht, die den unrechtmäßig angeeigneten Besitz der einen gegen den wütenden Hunger der anderen verteidigt! Es gibt keine Müßiggänger mehr jeglicher Art, folglich auch keine Hausbesitzer, die von der Miete leben, keine Rentiers, die sich wie die Dirnen vom Glück aushalten lassen, keinen Luxus und schließlich auch kein Elend mehr … Ach, ist das nicht die ideale Gerechtigkeit, die unumschränkte Weisheit? Keine Privilegierten, und jeder schafft sich sein Glück durch die eigene Arbeit, ein gleiches Glück für alle Menschen!«
    Er geriet ins Schwärmen, und seine Stimme klang sanft und entrückt, als entfernte sie sich und verlöre sich hoch oben in der Zukunft, deren Anbruch er verhieß.
    »Und wenn ich erst auf die Einzelheiten eingehen wollte … Schauen Sie, dieses gesonderte Blatt mit den vielen Randbemerkungen: das ist die Organisation der Familie, der freie Ehevertrag, Erziehung und Unterhalt der Kinder, wofür die Gemeinschaft zu sorgen hat … Das alles bedeutet nun aber nicht etwa Anarchie. Sehen Sie diese andere Notiz: ich verlange für jeden Produktionszweig einen leitenden Ausschuß, der die Produktion nach der Konsumtion auszurichten hat, indem er die tatsächlichen Bedürfnisse ermittelt … Und hier noch eine organisatorische Frage: in den Städten und auf dem Lande werden die Armeen der Industriearbeiter und die Armeen der Bauern unter Führung der von ihnen gewählten Chefs zum Einsatz kommen und Vorschriften unterworfen sein, über die sie vorher abgestimmt haben … Schauen Sie, hier habe ich sogar annähernd errechnet, auf wieviel Stunden die tägliche Arbeitszeit in zwanzig Jahren herabgesetzt werden kann. Dank der großen Zahl neuer Arbeitskräfte und vor allem dank den Maschinen wird man nur noch vier oder vielleicht drei Stunden arbeiten müssen; und wieviel Zeit wird man dann haben, das Leben zu genießen! Denn diese Zukunft ist keine Kaserne, sondern ein Reich der Freiheit und der Fröhlichkeit, wo jedem sein Vergnügen freisteht, wo jeder Zeit hat, seine berechtigten Wünsche zu befriedigen, wo jeder lieben, stark sein, schön sein, klug sein, sich sein Teil von der unerschöpflichen Natur nehmen darf.«
    Und seine Gebärde, mit der er das elende Zimmer umfaßte, ergriff Besitz von der Welt. In dieser Kahlheit, in der er gelebt hatte, in der bedürfnislosen Armut, in der er sterben sollte, teilte er mit brüderlicher Hand die Güter der Erde auf. Das universelle Glück, alles, was gut ist und was er nicht genossen hatte, verteilte er auf diese Weise, wohl wissend, daß er selbst es nie genießen würde. Er hatte seinen Tod beschleunigt, um der leidenden Menschheit dieses höchste Geschenk darbringen zu können. Und seine Hände irrten tastend durch die verstreuten Aufzeichnungen, während seine Augen, die schon nichts mehr sahen, geblendet vom Anblick des Todes, in schwärmerischer Verzückung, von der sein ganzes Antlitz erhellt wurde, jenseits des Lebens die unendliche Vollkommenheit zu gewahren schienen.
    »Ach, wie viele neue Möglichkeiten der Betätigung, die ganze Menschheit ist an der Arbeit, die Hände aller Lebenden helfen die Welt verbessern! Es gibt keine Steppen, keine Sümpfe, kein Brachland mehr. Die Meeresarme werden zugeschüttet, die Berge, die im Wege sind, verschwinden, die Wüsten verwandeln sich in fruchtbare Täler unter den Wassern, die allerorten emporsprudeln. Kein Wunder ist unmöglich, die großen Werke der Vergangenheit werden belächelt, weil sie so zaghaft und

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