Das Gelobte Land
Billy the Kid? Was wurde aus Klaras Kind? Und diese Leute, Daisy und Rodney, der Schweinehirt?
Auf die Antworten mussten wir bei Oma nicht lange warten. Sie begann ihre Rede an dem Punkt, dass die arme Daisy, wie wir wüssten, wegen dieser Beschwerden, die sie hatte, keine Kinder bekommen könne. Sie habe lediglich Klaras Kind in Pflege genommen. Dabei hielt sich das Kind die meiste Zeit im Haus nebenan auf, bei seiner Oma väterlicherseits, der Dólóres.
– Was?, sagten wir, im Haus nebenan? Bei seiner Oma?
– Jaja, das hing alles irgendwie zusammen; in Wirklichkeit war Rodney der Sohn des Bauern auf dem Anwesen, der jüngste Sohn, eine ziemliche Jammergestalt der Arme, war eigentlich von seinem Vater und den älteren Brüdern von seinem Land vertrieben worden, die vorher bereits die Mama aus dem Farmhaus verjagt und in dieser Hütte untergebracht hatten, die auch dort abseits stand; und da saß sie nun mit ihren Hunden, vier riesengroßen Hunden, big dane. Habt ihr die nicht gesehen, Jungs? Alle sagen, dass sie völlig verrückt ist, die Dólóres, sie trinkt auch so’n bisschen, aber ich finde sie in Ordnung. Sie ist auch immer sehr nett zu Baddi.
– Und Rodney, der Schweinehirt?
– Ja, der arme Rodney, das verhält sich nun so und so mit ihm!, sagte Oma, und dann kam eine lange und verwickelte Rede über diesen Rodney, deren Hauptinhalt war, dass er
irgendwie mit Drogen zu tun hatte und dann im Gefängnis landete nach dem Vietnam-Krieg, versuchte wohl abzuhauen, aber dann, als er und Daisy das Kind aufgenommen hatten, da erlaubten sein Vater und seine Brüder ihm zurückzukommen und als Schweinehirt auf der Ranch zu arbeiten. Und brachten ihn in dieser Hütte unter; die beiden Hütten waren wohl bis dahin für Angestellte auf der Ranch verwendet worden. Nun beherbergten sie die Mama und den missglückten Sohn.
– Und deswegen ließen Klara und ich das Mobilhome hierhin ziehen, obwohl man nun niemanden von diesen Bauerntrampeln kennt!
– So? Wir hatten den Eindruck, du kennst jede zweite Nase in der Gegend.
– Neinneinnein, mein Lieber, ich habe wirklich kein Bedürfnis, mit diesen Jammergestalten bekannt zu sein. Das sind alles zusammen Idioten, mein Lieber, und sie haben schreckliche Angst vor Baddi. Aber wir können jederzeit fahren, wenn es uns gefällt. Ich kann Flugtickets kaufen und hinziehen, wo ich will, nach Island und nach Norwegen, oder nach Kanada, oder ich kann das Mobilhome nach Kansas oder The Twin Cities ziehen lassen. Travel easy, travel light! Außerdem kann ich jederzeit nach Dänemark fahren, mit den Dänen bin ich immer zurechtgekommen. Die sagen einfach: Hvad skal vi spise i aften? Was essen wir heute abend? Oder?
– Jaja, sagte Oma mit schriller, hoher, fröhlicher Stimme; –ich hab mir nie Sorgen gemacht wegen solchem Zeug: wo ich wohne. Ich bin einfach da, wo es mir gefällt, und dann kauf ich mir ein Flugticket und fahre, wenn es irgendwelche Probleme gibt, sage bye-bye. Trotzdem will ich, so wie die Dinge jetzt stehen, Klara und Baddi gern bei mir haben, sie wollen bei ihrer Mama sein. Und Klaras Kind steckt natürlich hier fest bis
über den Arsch. Well hello Dolores darling, I’m so happy to see you!
Da war sie gekommen, Dolores selbst, die Mutter des Schweinehirten, mit ihren vier Viechern an der Leine; diese entsetzlichen Ungeheuer, die aussahen wie das Ergebnis eines genetischen Versuchs mit Kühen und Wölfen. Da wir saßen, ragten die Köpfe der Untiere über uns auf, und dahinter sah man die drei, Daisy, Rodney den Schweinehirten und seine Mutter. Manni und ich standen auf, höflich und kultiviert, und stellten uns der Alten vor, die fast so dünn war wie ihr Sohn, aber mit der allesverschlingenden Glut der Menschenverachtung in den Augen.
Das musste man den Höllenhunden lassen, dass sie einen nicht abzuschnuppern begannen, wie es sonst bei Kötern Sitte ist, sondern das Kinn hoben und wegsahen. Trotzdem war man froh, als Frau Dólóres mit den Tieren hinausging. Sie kam bald wieder herein, hatte die Biester natürlich draußen an eine Pferdehalterung gebunden. Mutter und Sohn setzten sich bei irgendwelchen Bauerntrampeln an den Tisch, aber Daisy kam herüber zu uns.
Ich begann, Bóbó und Baddi zu beobachten, wie sie dort auf ihren hohen Hockern an der Bar saßen. Ich hatte ungefähr fünf Bier getrunken und Baddi nicht weniger als zehn, und es war wahr, was Oma sagte, er schien das Bier wie Wasser in sich hineinkippen zu können, ohne irgendeine
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