Das Gelobte Land
ein Einsamer, der Manni, ist eigentlich immer gleich der Außenseiter, wenn ein dritter Mann dazukommt. Dann hört er größtenteils auf, sich an der Unterhaltung zu beteiligen, und fängt an zu grübeln und sich in sich selbst zurückzuziehen, doch kaum, dass wir wieder zu zweit waren, nahm er den Faden auf, wo wir zuletzt das Gespräch beendet hatten, hatte sich irgendeinen neuen Aspekt zu einem Thema ausgedacht, das ich für lange ausdiskutiert gehalten hatte. Er war viel in die Neue Hütte gekommen, während
Bóbó mit Uroma dort wohnte, und er tat dies weiterhin, nachdem ich umgezogen war, verbrachte mehr oder weniger die ersten Tage und Nächte bei uns, gespannt und nervös. Er hatte sehr befürwortet, dass ich mit der Alten dort einzog, und hatte nun wahrscheinlich schreckliche Angst, dass ich den Plan wieder aufgeben könnte. Und er war mir eine große Stütze. Oma wollte alles genauso haben, wie es bei ihr und Bóbó gewesen war, und ging offensichtlich mit Bestimmtheit davon aus, dass ich mit allen ihren Eigenheiten genauestens vertraut war, was ein Riesenirrtum war. Doch Manni kannte alle Verhältnisse in diesem Heim in- und auswendig, wusste über alle Fallstricke Bescheid, wusste genau, wie die alte Frau alle Dinge haben wollte und wie Bóbó reagiert und sich verhalten hätte, und all dies gab er an mich weiter. Und er erzählte mir auch davon, wie es die Gewohnheit meines Onkel Baddi gewesen war, das Heim zu belagern, wenn er sich auf Sauftour befand, wie er mit allen möglichen Gaunern und Verbrechern angekommen war, und Manni warnte mich davor, ihn damit wieder anfangen zu lassen: diese Trinkerei sei am Anfang vielleicht noch ganz lustig, aber der Spaß daran ginge schnell verloren. Bóbó habe über dieses Saufproblem am Schluss ganz graue Haare bekommen, deshalb sei er wahrscheinlich auch geflohen, sagte Manni mir und bat mich, diese Sache nicht weiterzuerzählen.
Das hätte er mir nicht zu sagen brauchen. Irgendwie waren die meisten Gespräche zwischen Manni und mir so, dass sie nur etwas zwischen uns zwei waren, wir besprachen die Dinge auf eine Weise, die andere nichts anging.
Einige Zeit sprachen wir über Krankheiten, wir versenkten uns in Gespräche über alle möglichen Leiden und Gebrechen; da hatten wir so lange Zeit in Gesprächen miteinander verbracht, nur wir zwei, und all die üblichen Gesprächsthemen mehrfach aus allen möglichen Perspektiven betrachtet,
die wenigen Bekannten, die wir hatten, durchanalysiert, und die Bücher, die wir beide gelesen hatten, bis zum letzten Detail durchgesprochen, dass die Gespräche von selbst auf persönliche Gegenstände kamen; Angst vor Krankheiten, vor Magengeschwüren, Krebs, Gehirntumoren, alles, was wir fürchteten zu bekommen oder von dem wir glaubten, bereits Zeichen einer nahenden Erkrankung bemerkt zu haben. Und was für Zeichen waren das? Ja, zum Beispiel der Stuhlgang, nach vielen Tagen und Nächten voller Gespräche waren die Mauern zwischen uns Cousins so vollständig eingerissen, dass wir angefangen hatten, uns über unseren Stuhlgang zu unterhalten, und noch mehr, beide schienen wir unter Symptomen von Hämorrhoiden zu leiden. Diese Hämorrhoiden bestimmten unser Denken vollständig, wir konnten aufs neue alle Gesprächsthemen durchgehen, diesmal im Lichte dieser gefährlichen Krankheit, und nun öffneten sich neue Dimensionen in der Charakteranalyse unserer Bekannten, denn die eine oder andere Verhaltensweise oder Veränderung des Gesichtsausdrucks bei ihnen konnte man sehr gut dadurch erklären, dass der Betreffende unter Hämorrhoiden litt, unablässig Juckreiz und Schmerzen und Unannehmlichkeiten an dieser in höchstem Maße persönlichen Stelle empfand: deswegen war er immer so zusammengekrümmt. Und erinnerst du dich gestern, du warst irgendwie so gereizt und kurz angebunden, aber wolltest nicht zugeben, dass irgendwas los war, hattest du da Probleme mit den Hämorrhoiden, fragte der eine von uns. Ja, nickte der andere mit ernstem Gesicht. Kann das gegenseitige Vertrauen größer sein? Manni erzählte, dass der alte Tóti, sein Papa, die großen Geschäfte auf der Toilette »sich hinsetzen« nannte, und das fanden wir natürlich entsetzlich komisch und absurd, aber nahmen es trotzdem in unsere Privatsprache auf. Hast du dich heute schon hingesetzt?, hieß eine unvermeidliche Frage,
die jeden Tag gestellt wurde, und dann wurde sie beantwortet und alles bis ins letzte Detail beschrieben: kein Blut, nein, aber schrecklich hart.
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