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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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verschwunden war, musste etwas für unsere Urgroßmutter, die Wahrsagerin in der Neuen Hütte, getan werden. Ich, der ich nie gezwungen gewesen war, mir direkt Sorgen um sie zu machen und nie nach meiner Meinung gefragt wurde, kam nicht umhin, meine Eltern über dieses Problem sprechen zu hören. Mama redete und redete, und Papa war ihrer Meinung, sagte nur immer: djah.
    Sie gab Bóbó an allem die Schuld.
    – Wie konnte er mir das antun? Einfach abzuhauen und die alte Frau hilflos zurückzulassen, und nun bleibt das alles an mir hängen, sich um sie zu kümmern, sagte Mama bitter. – Ich hab weder die Zeit noch das Geld, ich hab nicht die Mittel dazu, hier irgendein Altenheim zu betreiben, so wie es jetzt außerdem um meine eigene Gesundheit steht. Aber so ist das immer, immer und alle Zeit muss ich für die Verfehlungen anderer aufkommen, das ist die Geschichte meines Lebens!
    – Djah!, sagte Papa. Er wurde langsam unruhig und schien vor allem nicht den Wetterbericht im Radio verpassen zu wollen. Aber dann entschied Mama, dass es sowieso keine andere Wahl gäbe, die alte Frau könne nicht allein bleiben, sie müsse zu uns nach Hause ziehen. Und ich hörte sie ausrechnen, dass, wenn Uroma ihre Rente zum Haushaltsgeld beisteuerte und
wenn sie das Haus verkauften, die Neue Hütte, dann würden sie auch finanziell über die Runden kommen.
    Ich war nicht sonderlich begeistert darüber, dass die Alte ins Haus kommen sollte. Wir hatten uns niemals besonders nahegestanden, ganz im Gegenteil; sie schien mich in diesen späteren Jahren nicht zu bemerken, bei den wenigen Malen, die wir uns trafen, schien sich kaum zu erinnern, wie ich hieß und so. Außerdem entnahm ich dem, was Mama sagte, dass sie sich vor Alter und Hinfälligkeit nicht mehr selbst versorgen könnte, und ich sah vor mir, wie unsere Wohnung in den nächsten Jahren vom Todeskampf einer altersschwachen Greisin beherrscht werden würde. In diesem Herbst, in dem sie kam, hatten wir allerdings ein leeres Zimmer bei uns; Gillí hatte die Hauswirtschaftsschule begonnen.
    Aber Gillí käme im Frühjahr zurück, und wo sollte die Alte dann bleiben? In meinem Zimmer? Oder im Wohnzimmer? Würde ich vertrieben werden? Nicht, dass ich nicht gern von zu Hause ausgezogen wäre, um all diesem Chaos zu entkommen, aber ich versuchte immer noch, das Abendgymnasium zu schaffen, und hatte kein Geld, um mir irgendwo in der Stadt eine Bleibe zu suchen.
    Dann kam sie. Papa kam mit ihr im Mazda angefahren, und dahinter ein Lieferwagen mit ihrem wichtigsten Zeug. Wir trugen es entsetzlich gestresst und unorganisiert hinein. Mama drehte sich wie ein Kreisel um uns und hatte schreckliche Sorgen, dass wir mit irgendetwas anstoßen und die Türrahmen beschädigen könnten; hin und wieder stieß sie Schreie aus wie: Dieses olle Zeug will ich nicht im Haus haben! Alles war dabei, den Verstand zu verlieren, Papa wollte natürlich genauso sitzen und stehen, wie Mama es ihm befahl, so dass wir die Kommoden anhoben und wieder abstellten, ohne uns irgendwie von der Stelle zu bewegen, bis ich wütend wurde und sagte, ich
hätte keine Lust, das hier noch länger mitzumachen, ich hätte nicht vor, mich hier auf dem Gehsteig noch länger vor dem ganzen Block zum Idioten zu machen, und brachte Papa dazu, mir zu helfen und den Job zu beenden.
    Die alte Frau, meine Urgroßmutter, hatte die ganze Zeit nichts gesagt, war stumm und düster und unwillig gewesen, aber als ich anfing, mich aufzuregen, und mich darum kümmerte, dass ihre Sachen hineingetragen würden, bemerkte ich, dass sie mich heimlich ansah, und ich hatte das Gefühl, dass wir uns noch sehr gut verstehen würden.
    Und die Alte war wirklich unschlagbar. Ich sah das gleich am ersten Abend, welchen Unterhaltungswert das hatte, sie zu uns nach Hause bekommen zu haben. Sie sagte nichts und schien niemandem zuzuhören, mit heruntergezogenen Mundwinkeln wie Winston Churchill, aber wenn sie glaubte, dass niemand hinsah, dann begann sie, das Gesicht zu verziehen und Grimassen zu schneiden und den Kopf zu schütteln und meine Eltern heimlich nachzuäffen. Eine gut neunzigjährige Greisin. Ich konnte mich vor Schadenfreude kaum beherrschen und musste mich so anstrengen, nicht zu kichern und zu lachen wie ein Idiot, dass Mama fragte, ob mir etwas fehlte.
    Diese alte Wahrsagerin versetzte mich schon gleich morgens, wenn ich aufwachte, in gute Laune. Dann saß sie manchmal am Küchentisch und legte Karten mit Pfui und Grimassen, und brachte meine

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