Das Gelobte Land
Oder: ja das war wie verrottet heute Morgen, als ob man ein Massengrab geöffnet hätte. So etwas geht natürlich nicht, unser Verhältnis war zu eng geworden, als dass wir noch Vergnügen daran gefunden hätten, es wurde uns beiden klar, dass wir wie zwei senile alte Weiblein geworden waren, so dass wir eines Tages ohne Vorrede unsere Stuhlbeschreibungen austauschten und dann in einem vollkommenen Vakuum angekommen schwiegen, bis sich einer von uns verabschiedete. Dann sahen wir uns einige Wochen nicht, bis sich etwas ereignete, das uns Anlass gab, unsere Gespräche wieder aufzunehmen, über Themen, die damit nichts zu tun hatten, und lange Zeit wurden Krankheiten zwischen uns nicht erwähnt, zumindest nicht, bis ich glaubte, ein Magengeschwür zu bekommen.
Es gab keine Bücher im Haus von Fía und Tóti.
Manni sagte, dass sich ihm wirklich oft die Frage gestellt habe, ob sie überhaupt irgendwann das Lesen gelernt hätten; sie konnten sich nicht einmal dazu aufraffen, eine Zeitung zu kaufen.
Bücher und Lesestoff waren überflüssig.
Mannis ältere Brüder, Gummi und Gosi, besaßen auch keine Bücher, weder Abenteuerromane noch erbauliche Kinderbücher, und sie hatten an solchem Zeug auch kein Interesse, lasen nicht einmal die alten Donald Duck-Hefte in irgendwelchen Wartezimmern. Starrten einfach in die Luft oder bohrten in der Nase. Aber Manni, der kleine Bruder, Der Rote Wolf , er bekam früh Interesse für alles, was mit Büchern zu tun hatte, verschlang allen Lesestoff, an den er herankam; er beschrieb dies später, wie man es in allen Interviews mit Dichtern und Künstlern sieht und hört. Den Wissensdurst.
Die Stadtbibliothek war unten im Stadtzentrum, brechend voll mit Büchern vom Boden bis zur Decke, und mit Kindern, die in der Kinderbuchabteilung herumhingen und stöberten und blätterten. Auf jede Karte bekam man damals ein Buch ausgeliehen, und die Karten kosteten etwas und mussten jährlich erneuert werden. Manche hatten viele Karten und konnten vielleicht mit fünf Büchern in einem Einkaufsnetz nach Hause gehen. Aber Fía hatte nie von größerer Verschwendung und Idiotie gehört als mehrere solcher Karten zu besitzen, und es war hoffnungslos für Manni, darum zu betteln; es war schwierig genug gewesen, diese eine zu bekommen. Und er war schnell mit dem einen Buch fertig, las vielleicht den größten Teil davon schon auf dem Heimweg im Bus, und den Eltern schien es an geistige Behinderung zu grenzen, dafür hinunter in die Stadt fahren zu wollen, am liebsten jeden Tag, um ein neues Buch auf die Karte auszuleihen; das war nicht nur eine Verschwendung von Zeit und Busfahrkarten, sondern direkt abnorm. Keiner der Eltern hatte sich jemals auf das Bücherlesen verlegt, und trotzdem war es ihnen gutgegangen im Leben. So dass Manni warten musste, bis er das Buch erneuern durfte, und da konnte es schon einmal vergessen werden. Und wenn mehr als dreißig Tage vergangen waren, dann gab es Geldstrafen für jeden überfälligen Tag, und als das das dritte Mal passierte, hätte Fía beinahe geweint.
So dass die Bücherei im Grunde nur Probleme und Schwierigkeiten brachte, wenn man alles mit einberechnete.
Aber dann kaufte Fía ein neues Regalsystem für die große Wand im Wohnzimmer, damals hatte sie ihren Möbeltick. Das war ein riesiges Holzmöbel, Regale in allen Längen und Höhen, Regale für Bilder und Regale für Statuen und Regale für Blumen und Regale für Kristallvasen, und dann gehörte auch ein Bücherschrank zu diesem System, ein kleiner Bücherschrank
hinter rauchfarbigem Glas. Und man konnte nichts anderes mit diesem Schrank anfangen als Bücher dort aufzubewahren, der Einrichtungsverkäufer führte das den Eheleuten klar vor Augen, nachdem sie sich entschlossen hatten, den Kauf für das Möbelstück vertraglich festzumachen. Dort konnte nichts anderes stehen als Bücher, und was noch mehr wog: das ganze Regalensemble käme niemals richtig zur Geltung, wenn dort hinter dem rauchfarbigen Glas keine Bücher stünden; eingebundene Bücher, am besten eine zusammenhängende Ausgabe in dunklem Lederprachteinband.
Dies war ein Verkäufer von der Art, denen zu jedem Problem eine Lösung einfällt. Er sagte, er habe selbst eine solche Kombination bei sich zu Hause im Wohnzimmer stehen, und in dem Schrank habe er eine verdammt nette Reihe Bücher, Nordische Vorzeitsagas, erinnerte er sich, dass sie hießen, und Bischofssagas und noch etwas, in schönem, schwarzem Leder mit Goldschnitt. Diese
Weitere Kostenlose Bücher