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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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alter Schwarzer stand und wartete. Wir fragten ihn, ob der Bus hinunter ins Zentrum von Memphis führe, und so fassten wir es auf, was er antwortete.
    Ansonsten war dies ein äußerst witziger Kerl. Man war nach diesen Bieren in angenehmer Stimmung, und das Wetter war so mild, die größte Wärme war mit der Sonne verschwunden, und es hatte etwas Herrliches, hier an dieser Straße zu stehen und mit so einem komischen Kerl auf den Bus zu warten. Er sah genau so aus wie das Urbild aller alten Schwarzen in den Hollywoodstreifen aus der Zeit des Bürgerkrieges. In Latzhose, verblichenem Unterhemd und mit verkrumpeltem Hut. Er schien etwas nervös wegen unserer Anwesenheit, versuchte die ganze Zeit, sich fernzuhalten, ohne sich jedoch zu weit von der Haltestelle zu entfernen; wandte uns den Rücken zu, aber sah doch heimlich immer dorthin, wo wir standen. Ich ging zu ihm, bot ihm mit großer Freundlichkeit eine Zigarette an, gab ihm Feuer und fragte: – Wohnst du schon lange in dieser Gegend, Onkel Tom?
    Er begann sofort zuzustimmen, mit dem Kopf zu nicken und zu bejahen, dass er schon lange hier wohne; die ganze Zeit, und auch seine Eltern und die früheren Vorfahren. Jessör. Und ob er Elvis Presley gekannt habe? Das meinte er durchaus. Diesen großen Musterknaben Elvis Presley. Das sei wirklich ein
braver Junge gewesen. Sie hätten sich jeden Morgen im Laden getroffen. Und miteinander geplaudert.
    – Im Laden? Was?! Bóbó und Manni hatten sich auch in das Gespräch eingeschaltet und fragten: – Was hat der Elvis jeden Morgen im Laden gemacht, Uncle Tom?
    – Milch für seine Mama gekauft. Er war nämlich so ein guter Junge. Hat immer seiner Mama geholfen. Milch gekauft. Ihr beim Waschen geholfen. Ojaja, sagte Onkel Tom. Das wolle er doch meinen.
    – Aber hat er gegen Ende nicht einen ziemlich ausschweifenden Lebenswandel gehabt, Alkohol und Schlimmeres sogar?
    Onkel Toms Blick wurde nun noch scheuer, und er begann, in alle Richtungen Ausschau zu halten. Dann sagte er, dass er das überhaupt nicht glaube. Nein. Die Leute reden immer irgendwas. Manche sagen, dass er angefangen habe, Tabletten zu fressen und noch mehr, aber ich schenke dem keinen Glauben. Die Leute können ruhig reden. Elvis war vor allem ein guter Junge, was man daran sehen kann, wie hilfsbereit er zu seiner Mutter war.
    Wir sahen einander an und versuchten, nicht in Lachen auszubrechen, starrten hinauf in den Himmel und auf die Laternen um uns, aber als wir zurück zur Erde kamen, war Onkel Tom verschwunden. Selbstverständlich nach Hause in seine Hütte. Und wir standen allein in der Dunkelheit an der Bushaltestelle. In der Ferne hörte man Hundegebell, näher bei uns quakten Frösche, und die Grillen zirpten.
    Kein Bus kam, und nirgends waren Taxis zu sehen. Die Zeit verging und wir hingen allein dort am Schildpfahl, während die Autos auf der breiten Straße pfeifend an uns vorbeirasten. Am Ende gaben wir das Herumhängen auf und schleppten uns hinüber zu einer Bar an der Straße und baten die Bedienung, ein Taxi zu rufen.

     
    Nach einigen Tagen war alles in unserem Zimmer in wildester Unordnung: ein Durcheinander von leeren Bierdosen, überall Papiertüten, Papierbecher für Cola, Hamburgerschachteln, Zigarettenstummel, gebrauchte Kleidung von uns dreien, zusammen mit Karten und Zeitungen, Broschüren und schmutzigem Schuhwerk. Es kam wie gesagt niemand, der das Zimmer jeden Tag geputzt hätte. Überhaupt gab es niemanden, der sich um uns kümmerte, wir konnten deshalb die Nächte durchmachen mit dem Fernseher auf ohrenbetäubender Lautstärke oder uns laut und aufgeregt unterhalten; dann den größten Teil des Tages in all dem Dreck schlummern, außer dem, der die Energie hatte, sich hinauszubegeben in ein Fastfoodrestaurant oder einen Supermarkt, um Bier zu holen.
    Trotzdem war das ein herrliches Leben. Unsere Müdigkeit nach dem Besuch bei Oma und ihrer Familie ließ langsam nach. Manchmal machten wir kurze Spaziergänge in die Stadt, und dabei sahen wir jedes Mal etwas Bemerkenswertes oder Erstaunliches. Wir mussten jedoch kaum das Hotel verlassen, um auf etwas Unvergessliches zu stoßen: Eines Abends gingen wir nicht weiter als bis in die Bar im gleichen Haus wie das Hotel, man ging einfach durch eine Seitentür hinein. Der Raum erinnerte an ein altmodisches Waschhaus: die grauen Wände, der Steinboden und die Inneneinrichtung, die aus Holzplatten zusammengezimmert war. Feuchter Geruch, Halbdunkel. Ein fetter, hässlicher und

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