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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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wenn es daran ginge, die Geldbörsen zu zücken. – Es wäre mir eine Ehre, bezahlen zu dürfen, sagte er.
    Einen Moment überlegte ich, ob wir vielleicht in einer Homobar gelandet waren, die Liebenswürdigkeit, die uns entgegengebracht wurde, war derartig, aber das konnte doch kaum der Fall sein, denn es befanden sich zwei, drei Frauen in der Gruppe, und nichts dort drinnen wies daraufhin, dass dies ein Treffpunkt für Schwule war. Und als wir angaben, dass wir in erster Linie nach Memphis gekommen waren, um das Andenken Elvis Presleys, des berühmten Sohnes dieser Stadt, zu ehren, ging ein Freudenraunen durch die Gruppe, und wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass es, wenn wir Graceland sehen wollten, das Haus, in dem er gewohnt hatte, einen Bus gäbe, der an der nächsten Ecke hielte und den ganzen Weg zum Elvis-Presley-Boulevard hinunterführe.
    Wir meinten schon, uns kaum von diesem gastfreundlichen Ort trennen zu können, mussten allen die Hände schütteln und am besten versprechen, dass wir wiederkämen, und dazu bekamen
wir einige Telefonnummern und Adressen, falls wir in Schwierigkeiten geraten sollten. – God bless you boys, wurde uns von einem vielstimmigen Chor nachgerufen, als wir aus der Tür verschwanden.
    Es war nicht erstaunlich, dass wir in guter Stimmung waren nach diesem liebenswürdigen Empfang und uns allen Eventualitäten gewachsen fühlten. Außerdem war die schlimmste Mittagshitze ein wenig abgeklungen, und die Schatten wurden langsam länger. Als wir das Bushaltestellenschild auf dem Gehweg sahen, mit einem Anschlag des Inhalts, dass der Bus, der dort verkehrte, zum Elvis-Presley-Boulevard führe, kam nichts anderes in Frage, als mit ihm mitzufahren und dieses berühmte Haus zu besichtigen, das sich der König des Rock ’n’ Roll gebaut hatte und in dem er später gestorben war, verfettet und von Ausschweifungen gezeichnet.
    Das Warten auf den Bus dauerte allerdings länger als wir erwartet hatten, und unsere gute Laune hatte sich mehr als eine halbe Stunde später größtenteils in Luft aufgelöst, als wir immer noch auf dem gleichen Gehweg standen, mittlerweile ziemlich gelangweilt und missmutig. Aber in dem Augenblick, als wir beschlossen, die Herumhängerei zu beenden, und eben davonschlendern wollten, kamen zwei schwarze Mütter aus verschiedenen Richtungen angelaufen, jede mit einer Schar Kinder, und stellten sich dort zu uns an die Haltestelle. Das nahmen wir als Zeichen dafür, dass der Bus nun bald fahren müsste, und blieben dort stehen.
    Trotzdem war es noch eine weitere halbe Stunde Wartezeit. Wir drei standen dort, ungeduldig und genervt, sagten wenig, aber jeder von uns hoffte wahrscheinlich für sich, dass ein anderer die Initiative ergreifen und entscheiden würde, diese Warterei zu beenden. Doch dann begannen einige Kinder von den Müttern, die dort ebenfalls warteten, sich mit uns zu
unterhalten, hörten uns etwas auf isländisch sagen und wollten wissen, woher wir kämen. – From Iceland, erklärte Bóbó. – Really?, sagten die Kinder. – Jaja, sagte Bóbó, – mein Großvater wohnte in einem Iglu und lebte von der Eisbärenjagd. Aber das wollten die Kinder nicht glauben, wahrscheinlich waren sie besser in Erdkunde, als Bóbó angenommen hatte. So dass er einfach anfing, ganz offensichtliche Lügengeschichten zu erzählen, über die Dunkelheit, die so schwarz war, dass sie das Licht in den Glühbirnen erstickte, und die Kälte, die so derartig stark war, dass die Radiosendungen auf ihrem Weg über die Berge zu Eisbrocken gefroren und manchmal erst in der Schneeschmelze im nächsten Frühjahr empfangen werden konnten; dann kämen auf einmal die alten Nachrichten im Radio und die Schlager vom letzten Jahr, alles in wildem Durcheinander. Und die Kinder lachten und amüsierten sich und klatschten und erzählten irgendwelche Lügengeschichten dagegen, und so vergingen die Minuten, bis der Bus auf einmal an der Gehsteigkante hielt.
    Der Bus war schief und verbeult und von oben bis unten mit Werbung bedeckt. Aber er hatte ein Schild über der Windschutzscheibe, ein großes Wunder: eine unbeschädigte, elektronische Anzeigentafel, über die in einem fort verschiedene Schriftzüge liefen, ab und zu zeigte sie den Bestimmungsort an, dazwischen kam Werbung für Coca-Cola und Burger King. Im Wageninnern gab es wenig Komfort, die Sitze wie in einem Militärtransporter, die Schmierereien an den Wänden von ähnlicher Art, und in der heißen, stehenden Luft war der

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