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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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essen, das seine Frau, eine weithin als vorbildlich in Bezug auf alles, was Küchenarbeit betraf, bekannte Frau, gebacken hatte. Er sah die alte Frau zur Tür hinaus entfliehen und in das Auto stürzen. Er lief hinaus in einer Geschwindigkeit, die bei den Olympischen Spielen im Dreisprung zu Ehre gereicht hätte, und erreichte die alte Frau, die mit der Hand auf dem Steuerknüppel im Fahrersitz saß und steif und bewegungslos gegen das Steuer des amerikanischen Fahrzeugs lehnte. Der Nachbar war ein kurzentschlossener Mann, er verfrachtete die alte Wahrsagerin hinüber auf den Beifahrersitz und raste mit ihr ins Krankenhaus. Er hatte nämlich gesehen, worum es ging. Er fuhr mit halsbrecherischer Geschwindigkeit, und auf der Fahrt kam die alte Frau wieder zu sich und sah hinaus, selig darüber, endlich zu einem Ausflug mit dem Auto zu kommen, denn nichts fand sie lustiger.
    Im Krankenhaus gab es riesengroße Aufregung, denn der Taxifahrer ging mit der Patientin direkt zur Unfallambulanz, das war die einzige Abteilung in diesem Krankenhaus, die dieser kerngesunde Mann kannte. Er trug die
alte Frau über der Schulter durch das Wartezimmer und hinein in den Operationssaal, dort standen drei Ärzte und waren eifrig damit beschäftigt, einen halb toten Geisteskranken aus der Nervenheilanstalt zusammenzuflicken, der versucht hatte, sich umzubringen, indem er sich aus einem Fenster stürzte. Aber der Taxifahrer legte die alte Frau einfach auf den Operationstisch an die Seite des halb toten Geisteskranken und drehte sich auf dem Absatz um und verabschiedete sich kurzentschlossen.
    Nach Rufen und Klingeln und großer Aufregung wurde sie auf die Intensivstation gebracht, dort waren alle in einer schweren Klemme, denn niemand wusste, wer sie war, sie hatte nämlich keine Papiere in der Schürzentasche. Zum größten Glück identifizierte ein Oberarzt des Krankenhauses sie, da sie oft für ihn in die Zukunft gesehen hatte. – Das ist Karolína die Wahrsagerin, die Frau des verstorbenen Tómas, des Inhabers von Tommis Laden, sagte der Oberarzt spontan.
    Man setzte sich in Kontakt mit den Verwandten, die am Ort des Geschehens zusammenströmten, die Ärzte erklärten, dass das bald vorüber sein würde, wäre schon viel, wenn sie bis Mitternacht leben würde. Nichts schien nämlich im Körper der alten Karolína am Leben und Arbeiten zu sein als die Seele, die um das Sterbebett schwebte, manchmal schien sie das Krankenzimmer verlassen und zum Himmel flackern zu wollen, dann fantasierte die alte Frau und rief lange verstorbenen Freunden und Verwandten Schimpfwörter zu, dazwischen wirkte sie um so frischer und musterte mit kalten Verachtungsblicken die Verwandtenschar, die jedes Eckchen und Winkelchen ausfüllte und sie anstarrte wie hungrige Hunde einen besonders fleischigen Knochen.

    Hast du Mama gesehen, meine liebe Lína, hast du unseren Bruder Gummi gesehen, hast du meinen Snæi gesehen. Derart waren die Fragen, die Línas Nichten sie die ganze Zeit fragten, denn sie hatten nie etwas so Spannendes erlebt wie den Todeskampf der alten Wahrsagerin. Diese Frauen – einige von ihnen so alt, dass sie noch in den traditionellen Trachtenkleidern gingen – hatten sich so tief mit der Schwarzen Magie eingelassen, dass es allgemein bekannt war, dass sie nicht mehr auf Fotos zu bannen waren außer höchstens als Rauchwolke. Aber die alte Karolína antwortete nicht, vielleicht wollte sie die größten Trümpfe für sich behalten, das hatte sie immer getan, obwohl sie durch die Jahre viele junge Hexen in die Lehre genommen hatte.
    Karolína wollte nicht sterben, mit jedem Jahr, das verging, hatte sie mehr Angst um ihr Leben bekommen. Je mehr sie sich mit dem Übersinnlichen beschäftigt hatte, desto mehr Angst vor dem Dunkel hatte sie bekommen. Dort in dem Bett des großen und sterilen Krankenhauses war es nur die Angst vor dem Tod, die das Leben in dem ausgebrannten Körper hielt. Es ging auf Mitternacht zu, und keine Veränderung im Gesundheitszustand der alten Wahrsagerin war sichtbar. Da wurden die Verwandten hinausgetrieben, zu ihrem bitteren Unmut, besonders der Wahrsagenichten, die fauchten. Eine von ihnen war so wenig kooperativ, dass sie ihre Hände um den Stuhl schloss, auf dem sie saß, und es hoffnungslos war, sie dazu zu bringen loszulassen, obwohl riesenstarke Wachmänner der unruhigsten Abteilungen der Nervenheilanstalt dazugerufen wurden, um ihren Griff vom Stuhl zu lösen. Es gelang nicht, sie auf andere Weise aus dem

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