Das Gelobte Land
Zimmer zu rücken als sie im Stuhl hinauszutragen, während sie eigene Versionen von Gebeten und Liedern vor sich hin
murmelte. Und der Oberarzt, der befahl, dass sie im Guten oder Bösen hinausbefördert werden sollte, stürzte in der Nacht auf der Turmtreppe und brach sich das Bein.
Hier nahm Manni seine Brille ab, mit leicht zitternden Händen, und sagte, an der weiteren Fortsetzung müsse er noch etwas feilen. Wir schwiegen eine kleine Weile. Den Klang der Vorlesung noch im Ohr, kramte ich in meinem Kopf nach, um etwas zu sagen.
– Wie hat es dir gefallen?, fragte Manni, seine Stimme war noch nicht wieder ganz normal.
– Ja, ich fand vieles so ganz wohldurchdacht und gut … Zum Beispiel diesen Punkt, wie viel Angst sie vor dem Tod hatte und so, ich glaube, dass das wirklich stimmt …
– Ja, also, sagte Manni und hob den Zeigefinger: – Da ist natürlich vieles drin, das nur den Forderungen des literarischen Textes gehorcht, und des Stils, den ich für den Stoff der Erzählung gewählt habe, und da sind zum Beispiel sehr deutliche Einflüsse von Gabriel Garcia Marquez, besonders in diesem Kapitel. Obwohl »Einflüsse« ein ganz, ganz gefährlicher Begriff ist, viel korrekter wäre es, von Intertextualität zu sprechen. Aber gerade, was so Kleinigkeiten betrifft wie das, was du da angesprochen hast, wäre es gut, wenn ich Anhaltspunkte von dir bekommen könnte. Erinnerst du dich an irgendwas Besonderes, ein Vorkommnis oder so, das sich am Sterbebett ereignet hat?
Ich zerbrach mir den Kopf: – Ja, da waren ja eher wenige Leute anwesend, hauptsächlich nur ich und Mama und Gillí. Ja, und Baddi …
– Ja! Ja! Ich füge die zauberkundigen Nichten nur aus literarischem Grund ein …
– Mama machte sich ein bisschen Sorgen darüber, ob Uroma
bis zum zehnten leben würde, sie starb nämlich am neunten April, aber für die Rente gilt der zehnte als Stichtag. Wenn sie bis nach Mitternacht gelebt hätte …
– Da hätte sie die Rente für April bekommen, meinst du? Ja, nein, das ist ein zu soziologischer Punkt, um zu meinem Stil zu passen. Erinnerst du dich noch an irgendwas anderes?
– Ja, Baddi hat ihr sein Taschentuch gegeben. Das war so zehn Minuten, bevor sie starb, da wurde sie noch mal ein bisschen wach, und sie begann, etwas zu jammern, wo bin ich?! Da sagte Baddi: – Das sind nur wir hier, Oma. Mach dir keine Sorgen. Soll ich dir mein Taschentuch leihen? Hier, du kannst es behalten!
Manni runzelte die Augenbrauen.
– Das fand ich so ein bisschen komisch, sagte ich. Sie war kurz davor hinüberzutreten …
– Ja?, sagte Manni. – Ja? Vielleicht kann ich das irgendwie brauchen. Er notierte sich etwas auf einem Zettel. Dann zog er einen anderen Stapel Blätter hervor und fragte, ob ich mehr hören wollte. – Unbedingt, sagte ich.
– Das, was ich jetzt hier habe, sagte Manni, ist hauptsächlich über deinen Onkel Baddi, und deswegen ein anderer Stil. Während das Kapitel über die Wahrsagerin natürlicherweise am meisten unter dem Einfluss des magischen Realismus aus Südamerika stand, ist das über Baddi mehr in einem nüchternen westlichen Stil mit deutlichen Einflüssen von Ernest Hemingway, aber vor allem des amerikanischen Kriminalromans; Dashiell Hammet zu allererst. Aber du wirst das gleich hören:
Viertes Kapitel, das davon erzählt, wie der harte Bursche hinauszieht, um sich einen schönen Tag zu machen, einer alten Frau die Meinung sagt und dem furchtlosen Polizisten, dass er in Frieden gelassen werden will.
Wenn Baddi feierte, dann war das kein »Allein sitz’ ich beim Trunke, den Abend winterlang«-Klagelied. Immer ereignete sich etwas. Nie weniger als einmal die Woche zog er die Rock-Schuhe hervor und tanzte in ihnen durch das Nachtleben der traurigen Hauptstadt der Arktis.
Es begann zumeist damit, dass er eine Platte von seinem guten Freund Elvis Aaron Presley auf den Plattenspieler legte und dann den Erinnerungen nachhing an seine Jugendjahre westlich des Atlantiks, an das gute Wetter und die langen Sommer und die Ausflüge mit den Klappverdeckautos in die Drive-in-Kinos, um sich Elvisfilme anzugucken und mit den hübschen Mädchen auf der Rückbank zu flirten. Er dachte an Elvis Presley zurück, denn sie waren gute Freunde gewesen; Elvis, das ganze Leben, seitdem du aufhörtest, ein Kind zu sein, ist es wert gewesen zu leben, weil du einen Freund hattest, einen guten Freund, einen Doppelgänger, ein Alter ego, wir, ich und Elvis, wir litten gemeinsam und lachten
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