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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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Manni machte das nichts aus. Ganz im Gegenteil, er hatte die Stirn, den Bauern zu fragen, ob er ein Starterkabel zur Hand habe. Und der Bauer verstummte und schüttelte den Kopf, hängte das Auto mit einem Seil hinten an den großen Traktor, der wartend auf seinem Hof stand, und zog uns unsanft von seinem Grund und Boden. Unsere Klapperkiste sprang sofort an, aber der Mann schleppte uns immer weiter, obwohl Manni ihm Lichtsignale gab und wie wild auf die Hupe drückte, dass die Hunde völlig ausrasteten und anfingen,
nacheinander zu schnappen. Draußen auf der Landstraße sprang der Bauer aus dem schlammverschmierten Dieselungeheuer, befahl den Hunden barsch, das Maul zu halten, löste das Tau von der Stoßstange des Autos und fuhr davon, während dicke Wolken dunklen Rauchs aus dem Motorraum des Traktors aufstiegen.
    Manni saß am Steuer, rieb sich die Hände und sagte: – Das ist gutgegangen! Während ich wie schon so oft dachte, dass dieser Kerl wohl nicht alle fünf Sinne beisammen hatte.
    Und dann lag da der Hof. Von der Straße ab und einen schlammigen Abhang hinunter, dort duckten sich die Häuser und Ställe zusammen. Alles entsetzlich verfallen. Das Wohnhaus mit rostigem Wellblech verkleidet; es schien vor einigen Jahren etwa zur Hälfte gestrichen worden zu sein, dann war wahrscheinlich die gelbe Farbe ausgegangen. Eine große Wellblechplatte hing lose an der Hausecke und schlug mit geisterhaftem Ächzen im Wind. Aber ein Auto stand auf dem Hof, ein Auto mit Reykjavíker Kennzeichen, und das schien mir nichts Gutes zu bedeuten. Erwartete, dass vielleicht Polizisten oder irgendwelche anderen Amtspersonen hier waren, die uns verjagen würden. Aber dann stellte sich heraus, dass es ein Paar um die dreißig war, schrecklich normal; die Frau mit einem Kind auf dem Schoß. Sie sahen uns mit fragendem Gesichtsausdruck an, und Manni wünschte einen guten Tag. Ob wir in behördlichem Auftrag hier wären? – Nein, nur zum Schauen. –Wir auch, sagte sie. – Haben das in den Zeitungen gelesen. Und kurz darauf kam noch ein Auto, noch mehr Gaffer. Hyänen …
    Wir schritten langsam über den Hof. Sahen in den Stall hinein, wo die Leichen einiger Tiere lagen, der Geruch war unbeschreiblich. Es gab nichts Lebendiges dort außer einigen Mäusen, die über den Boden huschten. Ich fühlte körperlichen Schmerz. Aber Manni schnaubte erregt und wankte herum
wie in einem Fieberanfall, kurzsichtig und mit verzerrten Gesichtszügen.
    Einer der Gaffer schrie auf und rief, er habe eine Bewegung am Wohnzimmerfenster des Hauses gesehen; die Leute standen in einer Gruppe zusammengerottet und sahen hinüber. Manni war der rücksichtsloseste von uns Gaffern, er lief schnell zur Tür des Hauses und begann zu klopfen. Hart und laut. Als ob er keinen Zweifel daran hegte, ein dringendes Anliegen zu haben. Dann ergriff er die Klinke und rüttelte an der Tür, die sich knarrend öffnete. Manni grinste von einem Ohr zum anderen, pfiff und gab den Leuten ein Zeichen zu kommen, trat dann in den Vorraum. Die Leute, die dort standen und warteten, zögerten jedoch, und niemand folgte Manni außer mir, der ich von Entsetzen gepackt die Eingangsstufen hinaufsprang und ihn mit mir hinauszog.
    – Bist du verrückt, Manni, du willst doch da nicht reinrennen?
    Die Leute auf dem Hof wandten sich ab und begannen, andere Dinge in Augenschein zu nehmen.
    – Du findest nicht, wir sollten untersuchen, ob jemand da drinnen ist?, fragte Manni. Dann schritt er kurzsichtig und mit verzerrten Gesichtszügen die Treppe hinunter und begann, sich die anderen Hofgebäude, aus grauen Steinen mit den Giebelseiten nach vorn in einer Reihe aneinandergebaut, noch einmal genauer anzusehen. Eine Tür stand dort halb offen, und ich sagte nichts, als Manni anfing, dahinter herumzuschnüffeln. Dann rief er mich und sagte: – Das ist Wahnsinn Mann! Ich kam und sah nach, und es zeigte sich, dass dort ein grotesk kleines Zimmer war, wenig größer als ein Besenschrank. Wahrscheinlich handelte es sich hier um einen Windfang, der zugemauert und in eine Abstellkammer umgewandelt worden war, aber es war ein wahres Säuferloch. Leere Branntweinflaschen zu Bergen aufgehäuft und gestapelt; die Genevergipfel,
das Engelwurzhorn, die Wodkaspitze; zerbrochene Flaschen, einige halbhoch gefüllt mit Zigarettenstummeln. Scheißgeruch. Ein Sitz in der Mitte der Räumlichkeiten: ein umgedrehtes Schmierölfass. Etwas Lesestoff lag vergilbt und zusammengeknüllt auf dem Boden, von dem sich

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