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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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Saal rannte, während die ältere der beiden schwarzen Frauen mit erhobenen Händen stand und rief: – Er hat meine Tasche gestohlen! Er hat meine Tasche gestohlen! Und wie von Stahlfedern getrieben sprangen drei der jungen Männer mit den Adidas-Taschen auf, stürzten wie beim Dreisprung durch den Saal und warfen sich über den Dieb. Die Frau bekam ihre Tasche zurück, während die Männer den Dieb niederhielten, und einen Augenblick später waren Wachleute gekommen, die ihn in Handschellen irgendwo nach hinten abführten.
    Als wir in den Bus einstiegen, stand der Fahrer in der Tür, ein kräftiger Mann um die vierzig, mit Sonnenbrille in der Dunkelheit. Er neigte ein klein wenig den Kopf, lud uns mit einer Handbewegung ein, an Bord zu kommen, und sagte:
    – Gentlemen!
    Wir nahmen wie gewöhnlich die hinterste Sitzreihe, neben der Toilette, dort konnte man rauchen, und dort konnten wir uns abwechselnd einmal hinlegen. Aber wir hatten es nicht eilig mit dem Hinlegen, lachten immer wieder aus vollem Hals über unseren Freund, den Taschendieb mit den guten Ratschlägen. Öffneten das Bier und tranken, und ich hatte Cornflakes, Paprikachips und so ein Zeug gekauft, und das mampften wir zum Bier. Das war ein richtiger Teufelskreis; wir waren völlig ausgehungert
und schaufelten die Chips in uns hinein, die so gewürzt waren, dass man immer durstiger wurde, je mehr man von ihnen in sich hineinfraß, so dass wir mehr und mehr Dosen öffneten, bis unsere Taschen leer waren. Der Bus schnurrte mit tiefem Brummen dahin, und Lichter schossen in der Dunkelheit vorbei. Wir lallten irgendwelches Gewäsch, bis wir zu besoffen wurden und angefangen hatten, alte Streitereien wieder aufzuwärmen und uns laut über die Familie und die Zustände damals zu Hause zu unterhalten, und über Opa Tommí, Gott hab ihn selig, von dem Bóbó sagte, er sei in der ganzen Familie der einzige Mensch bei vollem Verstand gewesen, zumal er nicht mit uns verwandt war.
    – Und die Alte, die Uroma, hat mir das Leben gerettet! Und ich hätte ihres gerettet, wenn ich es geschafft hätte, Baddi zu töten. Es war nicht meine Schuld, dass er nicht gestorben ist. Das hätte reichen sollen, um einen Elefanten zu töten.
    – Wovon redest du?, fragte ich und wollte eine Erklärung für diese Worte, aber Bóbó entwand sich meinem Griff, erzählte von einem Vorfall, den ich vergessen hatte, davon, wie Papa ihm einen kleinen Kastenwagen gebaut hatte. – Grettir, mein Stiiiefvater!, sagte Bóbó, – baute diesen tollen Kastenwagen, ich weiß nicht, warum …
    – Nie hat er was für mich gebaut …
    – Jaja, der Alte pfriemelte das also für mich zusammen, der Meisterschmied, mit einem Kofferraum, den man öffnen kann, einem Steuer, einer Stoffüberdachung; der tollste Kastenwagen der Stadt! Etwas Vergleichbares hatte es noch nicht gegeben. Das war kurz nachdem das Alte Haus abgerissen worden war. Alle Kinder wollten mit mir zusammensein, weil ich so ein tolles Kastenauto hatte. Ich bekam es mittags, fuhr um die Kaffeezeit damit hinunter in die Stadt und ließ es dort stehen. Sagte, es sei verlorengegangen.
    – Du hast es stehengelassen …!
    – Ich fand es auch ein bisschen schade drum. Es war so ein prächtiges Auto. Aber trotzdem hat es verdammt Spaß gemacht, nach Hause zu kommen und zu sagen, man hat das Auto verloren. Völlig scheißegal.
    – Du wolltest nie bei uns sein, Bóbó, du wolltest nur bei Opa und Uroma sein.
    – Das verstehst du nicht, sagte er. – Es war das reinste Paradies, bei ihnen zu sein, wenn nur das verdammte Säuferschwein nicht gewesen wäre … Es wäre meine Rettung gewesen, wenn er gestorben wäre. Uroma hat mir immer vollkommen vertraut!
    – Warum hast du sie dann verlassen, hä?, fragte ich, – und was für ein wirres Zeug ist das mit Baddis Tod …
    – Führt euch nicht so auf, sagte Manni; das Gespräch war ihm irgendwie unangenehm, er flüsterte mir ins Ohr, dass ich sehr vorsichtig sein müsste, wenn ich mit einem Verrückten über solche Dinge redete. Ich versuchte, ihn von mir wegzuschieben, plötzlich gab es so viele Fragen, die sich auftaten und auf die ich von Bóbó eine Antwort haben wollte, aber er verlor immer mehr den Zusammenhang und nuschelte immer stärker, bis er ganz verstummte und eingeschlafen war.
    Ich saß links am Fenster, Bóbó rechts in der Ecke an der Wand zur Toilette, und Manni zwischen uns eingeklemmt. In der Stille machte einen die Müdigkeit ganz schwindelig, und bald lehnte ich mich

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