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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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zusammenhangloses Zeug vor sich hin, und ich hatte ziemlich Angst, ihn zu verlieren. Er hatte keinen Pfennig Geld bei sich. Hatte zwei, drei Tage lang nichts gefuttert. Und als der Abend gekommen war und die Hauptveranstaltung begann, das Konzert der alten Meister, war er nicht mehr sicher, ob er überhaupt Interesse hatte zu kommen und zuzuhören. Sagte, er habe das alles schon früher gehört, sei von Geburt an mit diesen Männern im Ohr aufgewachsen. Stand dann plötzlich auf und warf dabei seinen Stuhl um, als Manni und ich in Richtung Hauptbühne aufbrachen, und sagte: – Diese Kerle muss man allein schon deshalb sehen, weil sie noch am Leben sind.
    Carl Perkins fing an. Stellte stolz seine Band vor; seine zwei Söhne spielten darin mit. Alle auf der Bühne trugen blaue Wildlederschuhe, und alle, die zuhörten, warteten darauf, dass sie Don’t step on my blue suede shoes spielten. Aber sie waren
verdammt gut: Der Beat dröhnte zu uns in die Dunkelheit hinaus, die Temperatur war sehr angenehm geworden und die ganze Menge vor der Hauptbühne zusammengeströmt. Die grünen Bänke waren nicht länger glühendheiß, und wir suchten uns einen Platz und setzten uns, jeder mit seiner Bierdose, und hörten der Musik zu. Bis sie das Hauptlied brachten, Blue suede shoes ; da standen alle auf und stiegen auf die Bänke, so groß war die Freude. Die Leute standen auf Zehenspitzen auf den grünen, rückenlosen Bänken und schüttelten die Hände über den Köpfen in ihrer Begeisterung, und wir folgten dem Beispiel der anderen und standen auf und begannen zu feiern, aber da trat Bóbó daneben und verlor das Gleichgewicht. Er fiel hinunter und stürzte hart auf den Asphalt, und im Fall schlug er mit der Hand vor dem Körper auf der Kante der Bank auf. Er versuchte, sich im Fall an mir festzuhalten, aber ich konnte mich losreißen und davor bewahren, selbst zu fallen.
    Die Leute hörten Carl Perkins zu, und niemand hatte Zeit oder Lust, sich um irgendein besoffenes Schwein zu kümmern, auch Manni und ich nicht, und nach einigen Minuten stieg Bóbó wieder hinauf auf die Bank. Als das Lied zu Ende war, drehte ich mich zu ihm um und fragte: – Hast du dir wehgetan? – Nein, leider, antwortete er undeutlich.
    Als Jerry Lee auftrat, gab es kein solches Funkensprühen, wie man erwartet hätte. Er erschien in Licht gebadet auf der Bühne, und der Moderator sagte, hier käme ein Mann, den wir alle liebten; – Killer, god bless you. Und dann setzte sich der Gesegnete an den Flügel. Die Bewegungen ein klein wenig schwimmend. Er spielte die alten Rocksongs wie aus Gewohnheit, und die Fans klatschten, aber am größten war die Begeisterung doch, als er wehmütige Cowboysongs und alte Schlager brachte: Somewhere over the rainbow , und die Menge stieg wieder auf die Bänke und sang mit. Und Jerry Lee wurde
offensichtlich gerührt und brachte ein langes Vorspiel zu einem Lied, das er dann mit Einfühlung und Anteilnahme vortrug, über eine Band in einem Lokal, in dem nichts los war, die gerade die letzten Töne spielte, als er hereinkam, mit Augen, die mehr Jahre gesehen hatten als sein Alter war; er war betrunken, mager und zerfurcht. Setzte sich hinter dieses alte Piano und ließ die Hände einmal über die Tasten laufen und sagte: – Ist jemand so gut und gibt mir etwas zu trinken, Jungs, so ein bisschen, um die Kehle zu spülen. Er habe vielleicht schon einmal bessere Tage gesehen, aber es sei noch nicht alles vorbei. Ich bräuchte nur etwas zu trinken, um die Gedanken treiben zu lassen und all das Vergangene noch einmal zu durchleben …
    Und während Jerry Lee diesen Text sang und sprach, weinte die Menge vor Glück und Freude, alle außer Bóbó, der immer noch Schwierigkeiten hatte, auf der Bank das Gleichgewicht zu halten, und immer wieder würdevoll herunterstieg, um zu verhindern, dass er herunterfiele, um dann wieder aufs neue hinaufzuklettern.
    Dann beendete Jerry Lee das Konzert. Er war berühmt gewesen dafür, um das ganze Piano herumzuhüpfen und mit den Fersen und den Zehen zu spielen, aber jetzt war er so steif geworden, dass das einzig Originelle, das er zuwege brachte, war, sich schnell auf die Tastatur zu setzen und so den Schlussakkord anzuschlagen. Und da tippte Bóbó mich an, sah mir ernst ins Gesicht und sagte sehr deutlich: – Meine Meinung ist nämlich immer gewesen, dass es besser ist zu sterben, bevor man anfängt, mit dem Arsch zu spielen.
    Die Leute klatschten weiter und forderten eine Zugabe,

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