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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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hinein und rasten durch den engen Gang nach hinten, aber Bóbó war nicht dort. Soll ich meines Bruders Hüter sein?, klang es in meinem Kopf. – Wo ist der verdammte Bursche hin?, rief Manni mit zittriger Stimme, wobei er versuchte, ungehalten zu klingen, und es bedeutete eine gewisse Erleichterung für mich, ihn reden zu hören, als ob die Möglichkeit bestünde, dass Bóbó aus eigener Kraft irgendwohin gegangen sein könnte. Die gutgekleideten Schwarzen waren allerdings auch verschwunden, es sah also nicht gut aus. Manni und ich nahmen unsere Taschen und liefen hinaus auf den Parkplatz. Sahen uns in alle Richtungen um. Kein Lebenszeichen. Hinter dem Restaurant befand sich eine erleuchtete Tankstelle, und wir liefen dorthin, wie in einer Variante des Witzes von dem Mann, der unter einer Laterne nach seinem Geldbeutel sucht, weil man dort gut sehen kann, obwohl er ihn anderswo verloren hat. Aber als wir hinter das Haus kamen, sahen wir wie durch ein Wunder einen Mann, der die Straße hinunterhumpelte, und dieser Umriss von hinten und dieser Gang, um nicht gleich den Anzug zu erwähnen; da war kein Irrtum möglich. Wir liefen ihm nach und riefen ehrlich erfreut seinen Namen, und als er uns bemerkte, blieb er stehen, setzte sich auf den Gehweg und antwortete nicht.
    Er war völlig verwirrt. Wir waren so froh, ihn gefunden zu haben, dass ich mich beherrschen musste, um ihn nicht zu umarmen. Manni und ich redeten aufgeregt durcheinander, und als wir das dreißigste Mal fragten, warum er gegangen sei, antwortete er unerwartet: – Ich hatte das Gefühl, dort nicht willkommen zu sein. Fahrt ihr nur, fügte er hinzu. – Bist du
verrückt, Mann!, sagte ich, – glaubst du, wir würden dich allein und ohne Geld hier zurücklassen. – Ja, ich bin verrückt, sagte Bóbó. – Deswegen komme ich immer durch. Reist ihr nur weiter.
    Dann zog er die verletzte Hand hervor, die er unter dem Revers seiner Jacke versteckt gehalten hatte, und dort im Schein der Straßenlaterne bot sich uns eine üble Überraschung. Die Hand war völlig entzündet und auf das Doppelte ihrer Größe angeschwollen, blaurot und zitterte stark.
    Das wurde langsam eine Nummer zu groß für uns. Hier saßen wir am Straßenrand irgendwo in Amerika, übermüdet und völlig durcheinander, auf dem Weg zu keinem bestimmten Ziel und mit einem schwerverletzten Mann in unserer Obhut. Wir konnten im Augenblick keine größere Entscheidung treffen als langsam zurück zum Bus zu gehen, aber der war abgefahren. Als ob die Situation nicht ohnehin schlimm genug war. Er war weg, verschwunden. Mit Bóbós Tasche.
    – Wir dachten, du hättest sie mitgenommen?
    – Nein, sagte er.
    – War etwas Besonderes darin? – Ja, schmutzige Unterhosen, dreckige Socken und mein Pass.
    Around The Clock war aber noch offen. Wir gingen hinein und besorgten uns einen kleinen Imbiss und ließen uns an demselben Tisch in der Ecke auf die Stühle fallen. Manni durfte Bóbós verletzte Hand untersuchen und sagte, als ob er davon etwas verstünde, dass die Wunde infiziert sei, wir müssten damit ins Krankenhaus fahren. – Weißt du, was das kostet?, fragte Bóbó heiser nuschelnd.
    – Kostet?
    – Ja, sagte er, – das kostet ein Vermögen. Ihr seid in Amerika! Das ist kein schwedischer Wohlfahrtsstaat. Hier muss man für jede ärztliche Behandlung bezahlen, genauso als
wenn du ein Auto in die Werkstatt bringst. Außer man hat irgendwelche Versicherungen. Habt ihr so etwas? Ich jedenfalls nicht.
    – Oma ist sicher von vorn bis hinten versichert, sagte ich; welchen Grund ich nun auch hatte, das anzunehmen. Aber mit dieser Vermutung von mir war die Idee aufgekommen, dass Oma Gógó uns aus dieser Lage retten würde. Wir brauchten nur zu ihr zu fahren, die so gewitzt und lebenserfahren war. Wir würden es gerade schaffen, mit dem Bus dorthin und dann weiter nach New York zu fahren, um unser Flugzeug noch zu bekommen. Oma würde auch wissen, wie man Bóbós Pass zurückbekommen könnte. Wir wetteiferten darin, einander zu überzeugen, dass es keinen versierteren Wundertäter in der Welt gäbe als Oma Gógó, und wir waren so erleichtert über die Entdeckung dieser großartigen Lösung aller unserer Probleme, dass wir ruhig auf den Holzstühlen dort drinnen einschliefen, zum leisen Summen des Nachtradios, dem Tellerklappern und dem Zischen der Fritteusen. Und alles war licht und leicht, als wir erwachten.
     
    Die Busfahrt verlief ordentlich. Bóbó schlief einen Großteil der Reise, und die

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