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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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weder den kleinen noch den Ringfinger bewegen.
    Aber am verheerendsten war doch sein geistiger Zustand. Er versuchte, das zu verbergen, indem er über alles, was geschehen war, Witze riss, aber er erzählte keine Geschichten mehr, saß meist den ganzen Tag rum, schwieg und tat nichts. Las nicht einmal. Saß nur nachdenklich mit seiner Bierdose da, die Haare in die Augen hängend. Unrasiert. Und der feine Anzug hatte seinen Glanz zum größten Teil verloren, um es vorsichtig zu sagen.
    Aber dann setzte er sich eines Morgens auf, weckte Manni und sagte: – Jetzt könntest du mir einen Gefallen tun, mein Engelsärschchen. Bring meinen Anzug in die Reinigung. Und Manni und ich gingen los und fanden eine dry cleaning und streunten in der Innenstadt herum, bis wir ihn wieder abholen konnten, während Bóbó solange in seiner Unterhose oben im Hotelzimmer saß.
     
    Wir beschlossen am Morgen danach, aus dem Hotel auszuchecken und unsere Reise abends fortzusetzen. Es waren nur noch sechs Tage, bis Manni und ich für unseren Rückflug in New York sein mussten. Wir schlossen unsere Taschen in einem Schließfach am Busbahnhof ein und nahmen dann ein Taxi hinaus zu einem gewissen Fairground, wo das Rockkonzert mit den alten Meistern stattfinden sollte.
    Es war ziemlich genau Mittag, und die Sonne brannte vom Himmel. Nicht der leiseste Lufthauch und mehr als dreißig Grad Hitze. Wir bezahlten das Eintrittsgeld für das Konzertgelände; dort war ein riesiges Fest im Gange, Kinder mit Windrädern und Zuckerwatte, Schießbuden und drei oder vier Bühnen für die Bands. Auf der größten Bühne spielten sich gerade ein paar Burschen warm, und wir hatten erst vor, uns auf die
dunkelgrünen Holzbänke davor zu setzen, aber fuhren wieder auf, denn die Bänke waren in der brennenden Sonne glühendheiß geworden. Man hätte ein Spiegelei auf ihnen braten können. Wir suchten uns ein Restaurant, ein Zelt und darum herum Tische unter großen Sonnenschirmen. Bald kam ein Mann mit einer weißen Schürze und fragte, was wir haben wollten, und Bóbó bat um einen doppelten Whisky. Manni und ich sahen uns an, versuchten dann, wie erwachsene Männer zu klingen, obwohl wir für uns zwei Glas Orangensaft bestellten.
    Den ganzen Nachmittag wanderten wir so auf dem Gelände herum. Blieben manchmal an einer Bühne stehen, wenn gerade interessante Musik gespielt wurde. In der einen Ecke gab es nur Blues, unterschiedlich interessant, auf der großen Bühne Rockbands, die meisten schwach, und wir hielten uns bemerkenswerterweise die längste Zeit bei der Jazzbühne auf. Die hatte unter anderem den Vorteil, zum größten Teil im Schatten zu liegen, es war wenig los dort und der Weg zum Restaurantzelt kurz, und der Jazz war auch ganz in Ordnung. Gespielt wurde zumeist Musik an der Grenze zum Dixieland, Blechbläser mittleren Alters mit strengem Takt, wie man sich vorstellt, dass sie auf Feuerwehrjubiläen in vielen Teilen der Welt so spielen. Tiger Rag und Muscat Ramble . Und zu diesen fröhlichen Klängen wich der Tag dem Abend und der Dunkelheit.
    Die alten Männer Carl Perkins und Jerry Lee Lewis waren die Hauptpersonen des Festivals. Wir hatten einen heruntergekommenen Greyhound-Bus gesehen, der seitlich neben der Bühne stand, und auf dem Schild über der Windschutzscheibe stand nicht Tulsa Oklahoma oder Reykjavík Zentrum, sondern Carl Perkins. Und Jerry Lee war auch gekommen, in einer langen Limousine mit dunklen Scheiben; in Begleitung seiner Roadies stieg er aus, in einem langen Pelz und Cowboystiefeln, mit Schmuck behängt. Er war in irgendwelchen Schwierigkeiten
gewesen, stand in den Zeitungen, Riesenärger wegen Tabletten und Konkurs und einem Riss im Magen sowie eine Anzeige, weil er mit einer Waffe gewedelt und auf Leute geschossen haben soll. Aber hier hatte er ein Heimspiel: Die Festivalbesucher trampelten aufeinander herum, um den Helden hastig aus dem Auto steigen und in einer Tür zum Backstagebereich verschwinden zu sehen, im Pelzmantel und mit Sonnenbrille, ein starres Lächeln im Gesicht; aber die Leute winkten und riefen Willkommen und Gott segne dich, und Väter hoben ihre kleinen Kinder hoch in die Luft, damit sie den Meister über die Menschenmenge hinweg sehen konnten.
     
    Bóbó hatte Schwierigkeiten zu laufen, so betrunken war er. Seine Kleidung war jetzt sauber, und die Beulen um den Mund waren sehr zurückgegangen; mit der dicken Sonnenbrille sah er annehmbar aus. Aber er hatte keinen Kontakt zu seiner Umgebung, redete nur

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