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Das Gelübde

Titel: Das Gelübde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und ich verzehrte mich nach seiner Wildheit.
    Ihre Hände spreizten meine Schenkel, und jetzt erst gestattete sie mir, die Füße unter meinem Gesäß hervorzuziehen und die Beine auszustrecken. Nun aber hatte ich begriffen, daß die Anspannung meiner Haut, meines ganzen Körpers, den Lustgewinn ins Maßlose steigerte, und so behielt ich meine Stellung bei. Maria lächelte nur über meine Erkenntnis, küßte sich langsam durch meine Scham und widmete sich dem zweiten Herzen, das zwischen meinen Schenkeln pulsierte.
    Ich geriet in Raserei, und Tränen benetzten mein Gesicht. Ich war zu schwach, die Lider länger offenzuhalten, zu schwach, um zuzusehen bei dem, was sie tat, und dann, als ich den höchsten Punkt dieser Genüsse erlebte, da konnte ich die Verbindung mit diesem Ort nicht länger aufrechterhalten. Ich sank zurück in meine Kissen, zurück in mein Bett, doch die Gefühle blieben bei mir, folgten mir von dort nach hier, und seither trage ich sie bei mir in der Schatulle meines Glaubens.«
    Ich schrak auf, als Annas Stimme verstummte. Zu vertraut war bereits ihr feiner Klang, zu lebhaft ihre Schilderung.
    Vielleicht hatte der Alkohol im Blut meine Sinne überreizt. Ich wünschte mir, sie würde noch lange nicht mit ihrer Erzählung aufhören.
    Anna schaute mir in die Augen, suchte nach meinen Gefühlen, nach Verlegenheit oder Ablehnung. Als sie statt dessen Verständnis fand, lächelte sie glücklich, sagte aber nichts.
    Ich streichelte ihre Hand und suchte vergeblich nach den richtigen Worten. Getrocknete Blutschuppen rieselten von ihren Fingern auf das Laken wie blutroter Schnee.
    Vielleicht hätte ich mich zu Anna vorgebeugt und sie geküßt, wenn dieser Augenblick des Schweigens, des stillen Einverständnisses zwischen uns ein wenig länger angedauert hätte. Da aber bemerkte ich hinter ihr eine hastige Bewegung!
    Draußen, vor dem Fenster!
    Ein schwarzer Schemen. Langes, flatterndes Haar, umgeben von einem Strudel aus Herbstlaub. Ein bleiches Gesicht, das sich ins Dunkel zurückzog und mit der Finsternis verschmolz wie ein Wolkenriß am Nachthimmel.
    Anna sah das Erschrecken in meinen Augen. »Was ist?«
    fragte sie alarmiert.
    Ich sprang auf, stieß meine Hand über sie hinweg und riß das Fenster zu voller Weite auf. »Da war jemand«, wollte ich rufen, doch zu meinem eigenen Erstaunen brachte ich kaum mehr ein Flüstern zustande. »Dort, auf dem Vordach!«
    Anna wollte den Oberkörper weiter aufrichten und hinausschauen, doch allein der Versuch war zu schmerzhaft.
    Mit verbissenem Gesicht, aber ohne einen Laut sank sie zurück in die Kissen. Auf meinen besorgten Blick erwiderte sie nur die Andeutung eines Kopfschüttelns: alles in Ordnung.
    Als ich wieder aus dem Fenster sah, war die schwarze Gestalt verschwunden. Falls sie überhaupt jemals da war, wisperte eine Stimme in mir. Natürlich war sie dagewesen! Ich hatte sie doch gesehen. Den geisterhaft blassen Fleck ihres Gesichts, die nachtfarbenen Gewänder, den wehenden Schweif ihres Haars.
    Nicht lange genug sichtbar, um eine Erinnerung an ihre Züge zurückzulassen, und dennoch… ich mußte Gewißheit haben.
    »Klettern Sie nur«, forderte Anna mich leise auf, als hätte sie ein weiteres Mal meine Gedanken gelesen. »Aber ich bin ziemlich sicher, Sie werden sie nicht zu fassen bekommen.«
    Ich nickte enttäuscht. Gewiß nicht. Sie war eine Vision, ein Traumgespinst. Die Nacht war still bis auf das Säuseln des Windes, und nicht einmal Schritte waren auf dem Vordach oder unten im Hof zu hören. Die Erscheinung hatte sich in Luft aufgelöst.
    »Haben Sie sie auch gesehen?« fragte ich und erschrak vor mir selbst, als ich den flehenden Unterton in meiner Stimme bemerkte.
    »Ich fürchte, ich war nicht schnell genug.«
    »Aber sie war da, das müssen Sie mir glauben!«
    »Natürlich glaube ich Ihnen«, entgegnete sie sanft. »Weshalb sollten Sie die Unwahrheit sagen?«
    »Sie war da«, stammelte ich noch einmal und starrte angespannt aus dem Fenster. Nur Nacht, nur Leere.
    »Sie kommt oft«, sagte Anna, »ich kann sie spüren.«
    »Wer ist sie?«
    »Ahnen Sie das nicht längst?«
    Ich sank zurück auf den Schemel und rieb mir mit beiden Händen das Gesicht.
    »Weshalb sträuben Sie sich so sehr gegen die Wahrheit?«
    fragte sie.
    Ich blickte auf, fixierte ihren Blick. »Es ist eine Sache, jemanden im Traum zu sehen. Aber da draußen, vor dem Fenster… das ist etwas anderes.«
    »Macht das wirklich einen Unterschied?«
    »Ich weiß es nicht«, gab ich

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