Das Generationenschiff
bernsteinfarbenes Getränk in sich hinein. Sie hoffte, daß es ihre Musik ebenso wie ihre Gedanken einschläfern würde.
»Meine moralischen Maßstäbe haben sich nicht geändert«, sagte sie mit einer leichten Betonung auf das Pronomen.
»Gut. Darauf haben sie sich verlassen, und ich mich in gewisser Weise auch.« Er trank einen kräftigen Schluck von seinem Getränk.
»Wollen Sie damit andeuten«, sagte Lunzie langsam, Wort für Wort, »daß Ihre Ziele und die Ihrer Vorgesetzten von der Standhaftigkeit meiner Überzeugungen abhängen, auch wenn es … andere sind?«
»So könnte man es ausdrücken.« Zebara grinste sie an und hob seinen Becher.
Und wie, mit welchen Untertönen könnte ich es ausdrücken? fragte sich Lunzie. Sie nippte an ihrem eigenen Becher, schmeckte nur das Wasser, das sie bestellt hatte, und sagte: »Alles schön und gut, aber was soll das bedeuten?«
»Das, fürchte ich, können wir hier nicht besprechen. Ich werde Ihnen sagen, was ich kann, und dann werden wir uns neu verabreden.« Auf ihr Stirnrunzeln hin nickte er. »Anders geht es nicht, Lunzie, wenn wir den unmittelbaren Ärger in Grenzen halten wollen. Wir werden beobachtet. Natürlich werden wir beobachtet, dessen bin ich mir bewußt, und deshalb müssen wir unsere freundschaftliche Beziehung aufrechterhalten.«
»Fragt sich nur, wie freundschaftlich?«
Es kam ihr eher ungewollt über die Lippen. Sie hatte es, wenn überhaupt, erst später fragen wollen. Er lachte, aber es klang etwas gezwungen.
»Lunzie, Sie wissen, wie gut wir befreundet waren. Sie erinnern sich wahrscheinlich besser daran als ich, weil sie in den über vierzig Jahren seitdem friedlich geschlafen haben.«
Sie tat nichts dagegen, daß ihr das Blut ins Gesicht schoß. Jeder, der sie beobachtete, hätte es für einen echten Gefühlsausdruck gehalten.
»Verlassen Sie sich darauf! Ich muß zugeben, daß ich Sie nicht vergessen habe, nicht … nicht die kleinste Kleinigkeit.«
Diesmal war er mit dem Rotwerden an der Reihe. Sie hoffte, daß es jeden möglichen Spitzel zufriedenstellte, fürchtete aber, daß ein Mitschnitt des Gesprächs nichts hergeben würde.
Als könne er ihre Gedanken lesen, sagte er: »Keine Sorge. Zum jetzigen Zeitpunkt darf ich immer noch die Überwachung organisieren. Wir sind relativ sicher, solang wir nichts tun, was ihren Plänen widerspricht.«
Ihren Plänen oder deinen Plänen? fragte sie sich. Sie hätte Zebara gern vertraut; sie vertraute jedenfalls dem Zebara, den sie gekannt hatte. Aber dieser neue Zebara, dieser alte Mann mit den verhangenen Augen, den Enkelkindern, die er retten wollte, dem Chef des Externen Sicherheitsdienstes, konnte sie diesem Zebara vertrauen? Und wie weit?
Als er ihre Hand faßte, ließ sie es zu. Seine Finger streichelte ihre Handfläche, und sie fragte sich, ob er etwas so Einfaches wie Morsezeichen versuchen würde. Überwachungskameras konnten es aufzeichnen. Statt dessen zeichnete er mit dem Fingernagel vorsichtig das Logo auf dem FES-Banner in ihre Hand, dann Buchstabe für Buchstabe ihren Namen. Sie lächelte ihn an, drückte seine Hand und hoffte, daß sie Recht hatte.
Am nächsten Tag kam die Arbeit im Forschungszentrum gut voran. Was immer Bias dachte, er hütete sein Mundwerk, und auch sonst stellte niemand unangenehme Fragen. Als Lunzie in ihre Unterkunft zurückkehrte, empfand sie ein leichtes Unbehagen, weil Zebara sich nicht gemeldet hatte, aber die Signallampe an ihrer Konsole blinkte, als sie eintrat. Sie ließ sich mit der Nummer verbinden, die ihr genannt wurde, und war nicht überrascht, als sie seine Stimme hörte.
»Sie haben mir einmal gesagt, daß Sie gern unsere einheimische Musik hören würden«, begann er. »Heute abend findet eine Aufführung von Zilmachs epischen Werken statt. Würden Sie mich begleiten?«
»Mit oder ohne Abendgarderobe?« fragte Lunzie.
»Sie müssen sich nicht so fein machen wie zum Empfang des Gouverneurs, aber nett.«
Sie war sicher, daß er insgeheim über ihr Interesse an der Garderobe lachte. Aber sie erklärte sich einverstanden, in einer Stunde fertig zu sein, und sagte nichts dazu. Das Abendessen vor der Aufführung fand in einem offenkundig erstklassigen Restaurant statt. Die anderen Gäste trugen teuren Schmuck zu ihrer ausgefallenen Abendgarderobe. In ihrem einfachen, dunkelgrünen Kleid mit der Kupfer- und Email-Halskette, die sie zu unterschiedlichsten Anlässen trug, kam Lunzie sich ein wenig ärmlich vor. Zebara trug eine Uniform, die
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