Das Generationenschiff
Geschmack.
Die Tür, deren Sensoren registrierten, daß jemand länger draußen stand, als für einen flüchtigen Blick erforderlich war, schwang nach innen auf. Ein livrierter menschlicher Wachmann stand unmittelbar dahinter.
»Möchte Madame eintreten?«
Der Gehsteig brannte ihr durch die Uniformstiefel an den Füßen. Ihr Kopf schmerzte. Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen solchen Laden betreten. Aber warum nicht? Es konnte nichts schaden, sich einmal umzuschauen.
»Danke«, sagte sie und trat ein.
Drinnen fand sie eine kühle Oase vor: weiche Farben, weiche Teppiche, im Hintergrund Harfenmusik, die gerade laut genug war, um das Gemurmel von der Straße zu übertönen. Eine gut gekleidete Frau, die nach vorn kam, betrachtete sie von Kopf bis Fuß, und zu Sassinaks Überraschung nickte sie anerkennend.
»Commander … Sassinak, richtig?«
»Ich bin überrascht«, sagte sie. Die Frau lächelte.
»Wissen Sie, wir sehen uns die Nachrichtenprogramme an. Und was für eine Überraschung! Fleur würde Sie gern kennenlernen.«
Sassinak sackte der Unterkiefer herab. Man hatte ihr ein wenig über solche Geschäfte erzählt. Die Designerin kam gewöhnlich nicht zur Tür und begrüßte die Kunden persönlich.
»Möchten Sie sich nicht setzen?« fuhr die Frau fort. »Und wie war’s mit einer Erfrischung?« Sie führte Sassinak zu einem gepolsterten Stuhl neben einem eleganten kleinen Tisch, auf dem ein hoher Krug, an dem Wassertropfen herunterperlten, und ein Kristallglas standen. Sassinak betrachtete ihn zweifelnd. »Fruchtsaft«, erklärte die Frau. »Aber wenn Sie etwas Alkoholisches bevorzugen?«
»Nein, danke. Das ist in Ordnung.«
Sie nahm das Glas, das ihr angeboten wurde, und nippte daran, um ihre Verwirrung zu überspielen. Die Frau ging weg und ließ ihr Zeit, sich umzuschauen. Sie hatte schon einige sehr gute Geschäfte mit eleganten Auslagen aus wenigen Schmuckstücken oder einem einzelnen Seidenkleid besucht. Aber dieser Raum war durch nichts als Teil eines Geschäfts zu erkennen. Es hätte der Salon einer reichen Matrone sein können: bequeme, um kleine Tische gruppierte Stühle, frische Blumen, leise Musik. Sassinak entspannte sich allmählich und genoß den herben Fruchtsaft. Wenn das Personal wußte, daß sie eine Flottenoffizierin war, dann wußten sie sicher auch, daß ihr Gehalt für eine Originalkreation nicht ausreichte. Aber wenn sie bereit waren, sie in einem komfortablen Stuhl ausruhen zu lassen, nahm sie das Angebot gern an.
»Meine Liebe!« Die silberhaarige Frau, die sie anlächelte, hätte eine elegante Urgroßmutter sein können, die ihre Figur gehalten hatte. Über siebzig? Achtzig? Sassinak war sich nicht sicher. »Was für eine wunderbare Überraschung. Hat Mirelle Ihnen erzählt, daß wir Sie in den Nachrichten gesehen haben? Und natürlich haben wir Sie vorbeispazieren sehen. Und ich muß gestehen«, sagte sie mit einem kehligen Lachen, dem Sassinak nicht widerstehen konnte, »daß ich ein exklusives Stück nach dem anderen ins Schaufenster gehängt habe, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen.« Sie wandte sich der anderen Frau zu. »Und wie du siehst, Mirelle, hatte ich Recht: die Jacke mit den Juwelen hat’s geschafft.«
Mirelle hob anmutig die Schultern. »Und ich wette, wenn Sie sie fragen, wird sie sich daran erinnern, daß sie diese meergrüne Nummer gesehen hat.«
»Ja, das stimmt«, sagte Sassinak, ein wenig verwirrt von ihren Scherzen. »Aber was …?«
»Mirelle, ich glaube, wir könnten einen kleinen Imbiß gebrauchen.« Ihre Stimme klang sanft, aber autoritär. Mirelle lächelte und zog sich zurück, und die ältere Frau lächelte Sassinak an. »Meine liebe Sassinak, ich muß mich entschuldigen. Ich … ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Sie wissen gar nicht, was Sie für Menschen wie uns bedeuten.«
Sassinak war jetzt völlig durcheinander und murmelte etwas Unverständliches. Träumten berühmte Designerinnen von Raumschiffen? Sie konnte es nicht recht glauben, aber was ging hier sonst vor?
»Ich bin auf dieser Welt als Fleur bekannt«, sagte die Frau und setzte sich zu Sassinak an den Tisch. »Fleur de Paris, ein Scherzname, obwohl das nur wenige wissen. Ich kann Ihnen nicht einmal jetzt verraten, wie ich früher hieß. Aber ich kann Ihnen sagen, daß wir einen gemeinsamen Freund hatten. Einen sehr lieben Freund.«
»Ja?« Sassinak kramte in ihrem Gedächtnis nach dem Namen einer reichen oder prominenten Frau, die sie gekannt haben könnte. Ein
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