Das Generationenschiff
Admiral oder die Frau eines Admirals? Aber ihr fiel nichts ein.
»Ihr Mentor, meine Liebe, als sie ein kleines Mädchen waren. Ich meine Abe.«
Sie wäre nicht erschrockener gewesen, wenn Fleur einen Kübel Eis über sie ausgeschüttet hätte. »Abe? Sie haben Abe gekannt?«
Die Frau nickte. »Ja, allerdings. Ich kannte ihn, bevor er in Gefangenschaft geriet, und hinterher. Obwohl ich Sie nie kennengelernt habe, wäre es früher oder später dazu gekommen, wenn Abe nicht …«
»Ich weiß.« Noch einmal brach die Trauer über sie herein, so erschreckend intensiv wie ihr Erstaunen darüber, daß diese Frau – diese alte Frau – Abe gekannt hatte. Aber Abe wäre heute auch ein alter Mann, wenn er nicht umgekommen wäre. Auch das schockierte sie. In ihrer Erinnerung war er immer in demselben Alter geblieben. Doch sie hatte später erfahren, daß er jünger gewesen war, als sie alle meinten.
»Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Kummer mache, aber ich mußte mit Ihnen sprechen. Über Abe und über unsere gemeinsame Vergangenheit. Und über Ihre Zukunft.«
»Meine Zukunft?« Was konnte diese Frau mit ihrer Zukunft zu schaffen haben? Offensichtlich sah man ihr diese Zweifel an, denn Fleur schüttelte den Kopf.
»Eine dumme alte Frau, meinen Sie wohl, die sich in Ihr Leben einmischt. Sie bewundern die Kleider, die ich entwerfe, aber Sie brauchen keine reiche, alte Aufschneiderin, die Sie an Abe erinnert. Habe ich Recht?«
Sie kam Sassinaks Gedanken unangenehm nahe. »Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich für ihre Taktlosigkeit, aber für nichts anderes.
»Schon gut. Er sagte mir, Sie seien praktisch veranlagt, verläßlich und klar im Kopf, und so muß es sein. Aber es gibt Dinge, die Sie wissen sollten. Wir könnten jederzeit gestört werden – schließlich ist dies ein Geschäft –, deshalb möchte ich Ihnen zunächst anbieten, daß Sie, sollten Sie einmal Hilfe brauchen oder in der Stadt in eine schwierige Situation geraten, nur meinen Namen zu erwähnen brauchen. Ich habe gute Beziehungen. Hat Abe vielleicht Samizdat erwähnt?«
»Ja, hat er.« Sassinak war plötzlich hellwach. Sie hatte nie eine Spur der Organisation gefunden, von der Abe ihr nach ihrem Abgang von der Akademie erzählt hatte. Existierte sie immer noch?
»Gut. Wenn Abe länger gelebt hätte, dann hätte er Sie sicher darüber unterrichtet, wie Sie mit einigen seiner Mitglieder Kontakt aufnehmen können. Aber leider hat es sich so ergeben, daß niemand Sie gut genug kannte, um Ihnen vertrauen zu können, selbst mit Ihrem Hintergrund. Mit einem Treffen könnten wir das in Ordnung bringen.«
»Aber dann sind Sie …?«
Fleurs Lächeln war diesmal von einer gewissen Bitterkeit gefärbt. »Ich habe meine eigene Geschichte. So wie wir alle. Wenn die Zeit reif ist, werde ich Sie Ihnen erzählen. Im Moment reicht es, wenn Sie wissen, daß ich Abe kannte und ihn sehr geliebt und daß ich Ihre Karriere mit großem Interesse beobachtet habe, soweit in den Nachrichten darüber berichtet wurde …«
»Aber wie …?« Sie kam nicht dazu, ihre Frage zu stellen, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür und drei Frauen, die lebhaft miteinander plauderten, traten ein. Fleur stand sofort auf und begrüßte sie lächelnd. Sassinak wußte nicht recht, was sie tun sollte, und blieb sitzen. Die Frauen, schien es, waren in der Hoffnung gekommen, daß Fleur Zeit für sie hatte. Sie schauten zu Sassinak herüber, dann wieder weg und sagten, daß sie in einer bedeutsamen Angelegenheit unbedingt Fleurs Rat brauchten.
»Aber natürlich«, sagte sie. »Kommen Sie doch in meinen Salon.« Eine der Frauen schien etwas über Sassinak zu flüstern, denn Fleur fügte hinzu: »Nein, nein. Mirelle wird sich gleich um den Commander kümmern.«
Wie durch Zauberei war Mirelle wieder zur Stelle und brachte Sassinak ein Tablett mit kleinen Sandwiches und Keksen in den verrücktesten Formen.
»Fleur läßt ausrichten, daß Sie gern bleiben können, aber sie wird wahrscheinlich für einige Stunden keine Zeit haben. Das ist eine alte Stammkundin mit ihren Schwiegertöchtern, und sie kommen nicht nur her, um sich einen Rat zu holen, sondern auch um zu tratschen. Es tut ihr sehr leid. Sie möchten doch einen Imbiß?«
Um nicht unhöflich zu erscheinen, nahm sich Sassinak ein Sandwich. Mirelle blieb in ihrer Nähe. Irgendetwas schien ihr Unbehagen zu bereiten. Als Sassinak darauf bestand, daß sie gehen wollte, wirkte Mirelle gleichermaßen enttäuscht wie
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