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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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bin dein Ehemann.«
    Dann drehte sie sich strahlend um, und sie schritten weiter.
    Ein Mann löste sich aus der Gruppe, um die beiden abzufangen.
    Als er sich näherte, erstarrte Sun Moon zur Salzsäule. »Kommandant Park«, begrüßte sie ihn. »Wie geht es Ihnen?«
    »Großartig, danke«, sagte er zu Sun Moon und küsste ihr mit einer tiefen Verbeugung die Hand. Beim Aufrichten sagte er: »Und Kommandant Ga, wie lange haben wir uns nicht gesehen!«
    Parks Gesicht war von einem Seegefecht mit einem südkoreanischen Patrouillenboot gezeichnet.
    »Viel zu lange, Kommandant Park, viel zu lange.«
    »Stimmt«, erwiderte Park. »Aber sagen Sie mal, fällt Ihnen eine Veränderung an mir auf?«
    Ga sah sich Parks Uniform an, seine dicken Ringe und seine Krawatte, konnte jedoch den Blick nicht von den tiefen Narben auf seiner einen Gesichtshälfte abwenden.
    »Zweifellos eine sehr erfreuliche Veränderung«, entgegnete Ga.
    »Tatsächlich?«, erwiderte Kommandant Park verwundert. »Ich hätte erwartet, dass Sie wütend wären – bei Ihrem legendären Ehrgeiz.«
    Ga warf Sun Moon einen schnellen Blick zu.
    Er dachte, sie würde diesen Moment vielleicht genießen, aber ihr Gesicht wirkte angespannt und äußerst wachsam.
    Kommandant Park befingerte einen Orden an seiner Brust. »Sie bekommen auch eines Tages Ihr Sŏn'gun-Kreuz«, sagte er. »Natürlich wird es nur einmal im Jahr verliehen, aber davon sollten Sie sich nicht beeindrucken lassen.«
    Ga erwiderte: »Dann werde ich vielleicht der Erste sein, der es zweimal hintereinander erhält.«
    Kommandant Park lachte. »Der war gut, Ga. Das ist so typisch.« Er legte Ga eine Hand auf die Schulter, als wolle er ihm eine scherzhafte Bemerkung ins Ohr flüstern. Stattdessen griff er ihn am Kragen, riss ihn nach vorn und versetzteihm mit seiner harten Faust einen teuflischen Aufwärtshaken in den Bauch, unter den Rippen direkt in die Leber. Und dann schlenderte Park davon.
    Sun Moon stützte Ga und wollte ihn zu einem Sitzplatz führen, doch nein, er wollte stehen bleiben.
    »Dass das bei euch Männern immer so enden muss«, zischte sie.
    Zwischen zwei flachen Atemzügen fragte Ga sie: »Wer war das?«
    Sun Moon antwortete: »Das war dein bester Freund.«
    Die Grüppchen in der Nähe des Buffets widmeten sich wieder ihren Gesprächen.
    Ga hielt sich die Seite, dann nickte er. »Ich glaube, ich setze mich doch lieber hin«, sagte er, und sie nahmen an einem leeren Tisch Platz. Sun Moon beobachtete jede Bewegung der anderen Gäste und versuchte, ihre Gespräche anhand ihrer Gesten zu entschlüsseln.
    Eine Frau kam allein auf sie zu. Sie wirkte nervös und hielt ein Glas Wasser für Ga in der Hand. Sie war kaum älter als Sun Moon, doch ihre Hände zitterten so stark, dass das Wasser immer wieder über den Rand schwappte. Auf der anderen Hand balancierte sie einen Teller voller Garnelen.
    Ga nahm das Glas und trank trotz der Schmerzen, die ihm das Schlucken bereitete.
    Die Frau holte ein Stück Wachspapier aus der Tasche und legte die Garnelen darauf. »Mein Mann«, begann sie. »Er ist nicht älter als ich. Er hat ein gutes Herz, mein Mann. Damit will ich sagen, dass er eingegriffen hätte bei dem Vorfall, den wir da eben erlebt haben. Er konnte es nicht ertragen, wenn jemandem Leid zugefügt wurde. Er musste einfach eingreifen.«
    Ga sah zu, wie sie eine Garnele nach der anderen auf dasPapier legte. Er starrte die weißliche Schale und die schwarzen Knopfaugen an – das waren die blinden Tiefseegarnelen, für die sie auf der Junma ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten.
    »Nicht, dass mein Mann irgendwelche besonderen Merkmale hätte«, fuhr sie fort. »Also eine Narbe oder ein Muttermal oder so. Er ist ein ganz normaler Mann um die fünfundvierzig, mit angegrautem Haar.«
    Ga hielt sich die schmerzende Seite. Sun Moon sagte ungeduldig: »Bitte gehen Sie.«
    »Ja, sofort«, sagte die Frau. Sie schaute Ga an. »Könnte es sein, dass Sie ihn gesehen haben, dort, wo Sie waren?«
    Ga setzte das Glas ab. »Dort, wo ich war?«, fragte er.
    »Es gibt Gerüchte«, fuhr die Frau fort. »Die Leute wissen, wo Sie herkommen.«
    »Sie müssen mich mit jemandem verwechseln«, erwiderte er. »Ich bin kein Häftling. Ich bin Kommandant Ga. Ich bin der Minister für Gefängnisbergwerke.«
    »Bitte«, sagte die Frau. »Ich muss meinen Mann wiederhaben, ich kann – alles ist sinnlos ohne ihn. Er heißt –«
    »Nein«, sagte Sun Moon. »Sagen Sie uns nicht, wie er hieß.«
    Die Frau schaute von Sun

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