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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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will nicht noch einmal in der Falle sitzen.«
    Er schloss die Augen und hörte sich ihre Forderung an, die ihm rein und schön vorkam. Wenn nur mehr Menschen im Leben sagen würden: Genau das muss ich haben .
    Sie warf einen Blick zu ihm hinüber, um zu sehen, ob er zuhörte. »Zweitens werden dir die Kinder ihre Namen dann verraten, wenn sie es für richtig halten.«
    »In Ordnung«, erwiderte er.
    Weit unten im Zoo fingen die Hunde an zu bellen. Brando winselte im Schlaf.
    »Und du wirst niemals Taekwondo gegen sie einsetzen«, fuhr sie fort. »Du wirst sie niemals zwingen, ihre Loyalität zu beweisen und sie niemals auf irgendeine Weise auf die Probe stellen.« Sie richtete ihren Blick auf ihn. »Heute Abend hastdu erlebt, dass die Freunde meines Mannes dich nur zu gern in der Öffentlichkeit zusammenschlagen. Es steht immer noch in meiner Macht, einen Menschen zum Krüppel machen zu lassen.«
    Ein greller, blauer Blitz von unten aus dem Botanischen Garten erhellte das ganze Zimmer. Wenn ein Mensch auf einen Starkstromzaun trifft, entsteht ein Lichtbogen, der mit nichts vergleichbar ist. Im Straflager 33 war manchmal ein Vogel in den Zaun geflogen. Aber ein Mensch – diese von einem tiefen Brummen begleitete blaue Entladung – das ist ein Licht, das durch die Augenlider dringt, begleitet von einem Dröhnen, das einem bis in die Knochen fährt. In seiner Baracke hatte ihn dieses Licht, dieses Geräusch, jedes Mal aufgeweckt, obwohl Mongnan gesagt hatte, man nehme es nach einer Weile nicht mehr wahr.
    »Gibt es noch mehr Regeln?«, fragte er.
    »Nur noch eine«, erwiderte sie. »Du wirst mich niemals anfassen.«
    In der Dunkelheit blieb es lange still.
    Er atmete tief durch.
    »Eines Morgens mussten sich alle Bergarbeiter in einer Reihe aufstellen«, begann er. »Wir waren an die sechshundert. Der Lagerkommandant kam. Er hatte ein blaues Auge, ganz frisch. Ein ranghoher Militär war bei ihm – mit einer hohen Schirmmütze und einer Menge Orden. Das war dein Mann. Er sagte dem Lagerkommandanten, wir sollten alle unsere Hemden ausziehen.«
    Er machte eine Pause, um zu sehen, ob Sun Moon ihn zum Weiterreden ermutigen würde.
    Als sie nichts sagte, fuhr er fort. »Dein Mann hatte ein Messgerät dabei. Er ging die Reihen der Männer entlang und hielt es jedem an die Brust. Bei den meisten blieb der Kastenstill. Aber bei einigen gab er ein statisches Knistern von sich. So war es auch bei mir. Als er das Gerät an meine Lunge hielt, knisterte es. Er fragte mich: In welchem Teil des Bergwerks arbeitest du? Ich antwortete, dass ich in dem neuen Stollen arbeite, ganz unten auf der tiefsten Sohle. Dann fragte er: Ist es warm da unten oder kalt? Ich sagte: Warm .
    Ga drehte sich zum Lagerkommandanten um. Das genügt als Beweis, oder? Ab jetzt konzentriert sich die Arbeit auf diesen Teil der Mine. Das Buddeln nach Nickel und Zinn wird sofort eingestellt.
    Ja, Minister Ga , sagte der Lagerkommandant.
    Erst in dem Moment schien Kommandant Ga die Tätowierung auf meiner Brust zu bemerken. Er lächelte ungläubig. Wo hast du das denn machen lassen?, wollte er wissen.
    Auf See , sagte ich.
    Er hielt mich an der Schulter fest, um die Tätowierung über meinem Herzen besser sehen zu können. Ich hatte fast ein Jahr lang nicht gebadet. Ich werde nie seine weißen, polierten Finger auf meiner Haut vergessen. Weißt du, wer ich bin?, fragte er. Ich nickte. Willst du mir diese Tätowierung erklären?
    Alle Erklärungen, die mir einfielen, kamen mir fatal vor. Es handelt sich um reinen Patriotismus , sagte ich schließlich. Begeisterung für den größten Schatz unserer Nation .
    Diese Antwort schien Ga zu gefallen. Wenn du wüsstest , sagte er. Dann wandte er sich an den Lagerkommandanten. Haben Sie das gehört?, fragte Ga. Ich glaube, ich habe den einzigen Heterosexuellen in diesem ganzen verdammten Lager aufgespürt .
    Ga sah mich eingehend an. Er hob meinen Arm hoch und bemerkte die Brandmale von meinem Schmerztraining. Ja , sagte er, als er erkannte, was er vor sich hatte. Dann nahm ermeinen anderen Arm. Er drehte ihn so, dass er die lange, halbkreisförmige Narbe sehen konnte. Fasziniert sagte er: Da ist etwas passiert .
    Dann trat Kommandant Ga einen Schritt zurück, und ich sah, wie er das Gewicht vom hinteren Fuß nahm. Ich hob den Arm gerade noch rechtzeitig, um einen rasend schnellen Tritt gegen meinen Kopf abzuwehren. Genau das, was ich gesucht habe , stellte er fest.
    Ga schob den Unterkiefer vor und ließ einen schrillen

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