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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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vorgestellt: Ich heiße Wanda.«
    »Pak Jun Do«, sagte er und gab ihr die Hand. »Woher kennen Sie den Senator?«
    »Er war einmal in Bagdad, da habe ich ihn durch Saddams Saladin-Bunker geführt. Eine sehr beeindruckende Anlage. Tunnel mit Hochgeschwindigkeitszügen, dreifach gefilterte Luft, atombombensicher. Man braucht nur den Bunker von jemandem zu sehen, dann weiß man alles über ihn. Sind Sie auf dem Laufenden über den Irakkrieg?«
    »Natürlich«, antwortete Jun Do. Er knipste die kleine Taschenlampe an und leuchtete in seine hohle Hand, um die Helligkeit zu prüfen. »Benutzen die Amerikaner bei Tunnelgefechten Licht?«
    »Wie soll man denn ohne Licht kämpfen?«, fragte sie zurück.
    »Hat Ihre Armee nicht Brillen, mit denen man im Dunkeln sehen kann?«
    »Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Amerikaner seit dem Vietnamkrieg noch Tunnelgefechte durchführen. Mein Onkel war eine Tunnelratte. Wenn es heutzutage unterirdische Auseinandersetzungen gäbe, würden wir einen Bot runterschicken.«
    »Einen Bot?«
    »Sie wissen schon, einen Roboter, eine ferngesteuerte Maschine«, sagte sie. »Da gibt es so einiges an nettem Spielzeug.«
    Ein Fisch wollte sich mit dem Köder des Ministers davonmachen, dass sich die Angelrute bog. Der Minister kickte die Schuhe von sich und rannte bis zu den Knöcheln ins Wasser.Der Fisch kämpfte verbissen, die Rute folgte ihm nach rechts und nach links, und Jun Do fragte sich, ob es denn keine friedfertigeren Fische gab, mit denen man so einen Teich bestücken könnte. Als der Minister den Fisch endlich einholte, war sein Hemd schweißgetränkt. Tommy sammelte das dicke, weiße Ding mit dem Kescher ein, zog ihm den Haken aus dem Kiefer und hob ihn dann mit einem Finger im Maul hoch, damit alle das Prachtexemplar bewundern konnten. Dann warf Tommy den Fisch zurück in den Teich.
    »Mein Fisch!«, brüllte der Minister. Entrüstet machte er einen Schritt nach vorn.
    »Aber Herr Minister«, rief Dr. Song, eilte zu ihm und legte ihm die Hand auf die bebenden Schultern. »Herr Minister«, sagte Dr. Song beruhigend.
    »Lasst uns am besten direkt zu den Schießübungen übergehen«, schlug der Senator vor.
    Sie marschierten ein kurzes Stück durch die Wüste. Dr. Song konnte mit seinen eleganten Schuhen nur schlecht auf dem unebenen Terrain laufen, wollte aber keine Hilfe annehmen.
    Der Minister sagte etwas, und Jun Do dolmetschte: »Der Herr Minister hat gehört, Texas sei die Heimat einer sehr giftigen Schlange. Eine solche wünscht er zu schießen, damit er ihre tödliche Kraft mit der in unserem Land so gefürchteten Grubenotter vergleichen kann.«
    »Mittags liegen die Klapperschlangen in ihren kühlen Löchern«, sagte der Senator. »Die sind nur am Morgen unterwegs.«
    Jun Do übersetzte das für den Minister, der einen Vorschlag hatte: »Sag dem amerikanischen Senator, sein schwarzer Diener soll Wasser ins Schlangenloch gießen, dann schieße ich das Tier ab, wenn es rauskommt.«
    Der Senator lächelte, als er die Antwort hörte, und schüttelte den Kopf. »Das Problem ist, dass die Klapperschlange geschützt ist.«
    Jun Do übersetzte, doch der Minister verstand trotzdem nicht. »Geschützt wovor?«, wollte er wissen.
    Jun Do fragte den Senator: »Wovor ist die Klapperschlange geschützt?«
    »Vor den Menschen«, antwortete der Senator. »Das Gesetz verbietet es, sie zu töten.«
    Das wiederum fand der Minister überaus amüsant, dass eine lebensgefährliche Giftschlange vor ihren Opfern geschützt wurde.
    Sie kamen an einen Schießstand, wo diverse Cowboy-Revolver in einer Reihe lagen. In einiger Entfernung waren leere Dosen als Ziele aufgestellt. Die großkalibrigen Schießeisen waren alt und schwer und hatten allesamt schon Menschenleben ein Ende gesetzt, wie der Senator ihnen versicherte. Sein Urgroßvater war Bezirkssheriff gewesen, und die Pistolen waren als Beweisstücke in Mordfällen einbehalten worden.
    Dr. Song wollte nicht schießen. »Ich traue meinen Händen nicht«, sagte er und setzte sich in den Schatten.
    Der Senator meinte, Schießen sei für ihn auch nichts mehr.
    Tommy lud die Revolver. »Wir sind hier reichlich versorgt«, sagte er zu Wanda. »Wie wär’s mit einer kleinen Vorführung?«
    Sie band gerade ihren Pferdeschwanz neu. »Wer, ich?«, fragte sie. »Nein, lieber nicht. Der Senator wäre gar nicht begeistert, wenn ich unsere Gäste beschämen würde.«
    Der Minister jedoch war ganz und gar in seinem Element. Er hantierte mit den Pistolen, als

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