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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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der Fahrt zur Ranch schienen die Amerikaner die Koreaner nicht mehr zu beachten; sie unterhielten sich über die Rinder, die nirgendwo zu sehen waren, und bedienten sich dann einer Kürzelsprache, die Jun Do nicht enträtseln konnte.
    »Blackwater«, sagte Tommy zu Wanda. »Dein neuer Job?«
    Sie fuhren auf ein paar Bäume zu, an denen weiße, wie Vinalon aussehende Fasern wehten.
    »Blackwater?«
    »Steht auf deiner Basecap.«
    »Werbegeschenk, nichts weiter«, sagte sie. »Ich arbeite momentan für die private Tochtergesellschaft eines Subunternehmers des Pentagon. Versuch’s gar nicht erst, versteht sowieso keiner. Ich besitze drei Homeland-Pässe, hab den Laden aber noch nie betreten.«
    »Und wann geht’s zurück nach Bagdad?«, fragte er.
    Ihr Blick schweifte über den roten erodierten Boden. »Freitag«, sagte sie.
    Die Sonne stand hoch über ihnen, als sie aus dem Truck kletterten. Jun Do hatte sofort Sand in den Schuhen. Vor ihnen stand ein Klapptisch mit einem riesigen Kühlbehälter Limonade und drei in Zellophan verpackten Präsentkörben. Jeder Korb war mit einem Cowboyhut, einer Halbliterflasche Bourbon, einem Päckchen Zigaretten Marke American Spirit , Dörrfleisch, einer Wasserflasche, Sonnencreme, einem roten Halstuch und einem Paar Kalbslederhandschuhen bestückt.
    »Das Werk meiner Frau«, sagte der Senator.
    Er forderte die Koreaner auf, die Hüte und Handschuhe herauszuziehen. Eine Motorsäge und eine Motorsense standen bereit, und die Koreaner setzten Schutzbrillen auf, um sich über den Wildwuchs herzumachen. Seinem Blick hinter der Plastikbrille nach zu urteilen kochte Dr. Song vor Zorn.
    Tommy zog am Anlasser der Motorsense und reichte sie dem Minister, dem es eine seltsame Befriedigung zu verschaffen schien, mit dem rotierenden Messer abgestorbenes Dornengebüsch niederzumähen.
    Als Dr. Song an die Reihe kommen sollte, sagte er: »Wie es scheint, habe ich ebenfalls die Ehre.« Er rückte seine Schutzbrille zurecht, dann ließ er die Klinge durch Gestrüpp und Stoppeln rasen, bis sie im sandigen Boden steckenblieb.
    »Ich befürchte, ich bin zum Gartenburschen nicht recht geeignet«, sagte Dr. Song zum Senator. »Doch wie lehrt uns der Große Führer: Frage nicht, was die Demokratische Volksrepublik Korea für dich tun kann, sondern was du für die Demokratische Volksrepublik Korea tun kannst. «
    Der Senator schnappte empört nach Luft.
    Tommy warf ein: »Ist das nicht derselbe Große Führer, der so bedauert hat, dass seine Untertanen nur ein einziges Leben haben, das sie für ihr Land opfern können?«
    »Na schön«, sagte der Senator. »Dann wollen wir uns mal beim Angeln versuchen.«
    An einem aus Grundwasserpumpen gespeisten Fischteichlagen Angelruten bereit. Die Sonne stach unbarmherzig vom Himmel, und Dr. Song in seinem dunklen Anzug wirkte etwas wacklig auf den Beinen. Der Senator holte zwei Klappstühle von der Ladefläche seines Pick-ups und setzte sich mit Dr. Song in den Schatten eines Baums. Dr. Song fächelte sich genau wie der Senator mit dem Hut Luft zu, lockerte seine Krawatte aber nicht.
    Tommy sprach leise und respektvoll mit dem Minister, Jun Do dolmetschte.
    »Werfen Sie die Angel über den Stamm des umgestürzten Baums dort aus«, riet Tommy ihm. »Und dann bewegen Sie beim Einholen die Rute ein wenig, damit die Spitze wippt und der Köder tanzt.«
    Wanda kam mit zwei Gläsern Limonade auf Jun Do zu.
    »Ich habe mal mit Elektrokabeln gefischt«, sagte der Minister. »Sehr effektiv.«
    Es waren die ersten Worte, die der Minister an diesem Tag geäußert hatte. Jun Do fiel keine Formulierung ein, mit der man diese Aussage abmildern könnte. Schließlich übersetzte er für Tommy: »Der Herr Minister ist überzeugt, dass der Sieg kurz bevorsteht.«
    Jun Do nahm Wanda die Limonade ab. Ihre fragend hochgezogene Braue gab Jun Do zu verstehen, dass sie beileibe keine hübsche Kellnerin war, die mächtigen Männern Getränke reichte.
    Der Minister warf die Angel ein paar Mal aus, wobei Tommy ihn mit pantomimischen Bewegungen anleitete, bis er ein Gefühl dafür entwickelt hatte.
    »Hier«, sagte Wanda zu Jun Do. »Mein Beitrag zu Ihrem Präsentkorb.« Sie überreichte ihm eine winzige LED-Taschenlampe. »Ist ein Werbegeschenk von der Messe. Ich benutze diese Dinger ständig.«
    »Sie arbeiten im Dunkeln?«, fragte Jun Do.
    »In Bunkern«, antwortete sie. »Das ist mein Spezialgebiet. Ich analysiere befestigte Bunkeranlagen. Ich habe mich übrigens noch gar nicht

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