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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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– ein Warmhaltetopf mit Tortillas, Schüsselchen mit Koriandergrün, gehackter Zwiebel, Tomate, geraspeltem Weißkohl, mexikanischer saurer Sahne, schwarzen Bohnen und Tigerfleisch.
    Als Dr. Song das Tigerfleisch probierte, trat ein Ausdruck wahrer Begeisterung auf sein Gesicht. »Jetzt sagen Sie selbst: Ist das nicht das beste Tigerfleisch, das Sie je gegessen haben?«, fragte er. »Zeigen Sie mir den amerikanischen Tiger, der da mithalten kann. Ist der koreanische Tiger nicht wesentlich vitaler und schmackhafter?«
    Pilar brachte eine weitere Fleischplatte zum Tisch. » Bueno. Schade, dass es keine mexikanischen Tiger gibt.«
    »Du hast dich mal wieder selbst übertroffen, Pilar«, sagte die Frau des Senators. »Das beste Texmex, das du je gemacht hast.«
    Dr. Song beäugte die beiden misstrauisch.
    Der Minister hielt seinen Taco hoch und sagte auf Englisch: »Yes!«
    Tommy aß auch einen Taco und nickte zustimmend. »Das beste Fleisch, das ich je gegessen habe, war, als ich mal mit ein paar Kameraden Ausgang hatte«, erzählte er. »Wir fanden das Essen unglaublich lecker und stopften uns bis oben hin voll. Wir redeten so begeistert über das Essen, dass sie den Koch aus der Küche holten; er meinte, er könne uns noch mehr davon zum Mitnehmen machen. Es sei kein Problem, er habe noch einen zweiten Hund auf dem Hof.«
    »O Tommy«, sagte die Senatorengattin.
    »Ich war mal bei einer Stammesmiliz zu Besuch«, sagte Wanda. »Die bereiteten ein Festmahl für uns vor, aus ungeborenen Ferkeln, in Ziegenmilch gegart. Das war das zarteste Fleisch, das man sich nur vorstellen kann.«
    »Aufhören«, sagte die Senatorengattin. »Können wir bitte über etwas anderes reden?«
    Der Senator bat: »Über alles, nur bitte nicht über Politik.«
    »Ich muss Sie etwas fragen«, sagte Jun Do. »Als ich zur See fuhr, auf dem Koreanischen Meer, da haben wir die Funksprüche von zwei jungen Amerikanerinnen verfolgt. Ich habe nie erfahren, was aus ihnen geworden ist.«
    »Die Ruderinnen«, sagte Wanda.
    »So eine schreckliche Geschichte«, sagte die Frau des Senators. »Wirklich traurig.«
    Der Senator wandte sich an Tommy. »Das Boot haben sie doch gefunden, oder?«
    »Genau, das Ruderboot schon, aber von den Mädchen gibt es keine Spur«, sagte Tommy. »Wanda, hast du irgendwelche Insiderinfos?«
    Wanda hatte sich gerade zum Abbeißen über den Teller gebeugt, an ihrer Hand lief Tacosauce herab. »Ich habe gehört, das Ruderboot sei halb verbrannt gewesen«, sagte sie mit vollem Mund. »Von einem der Mädchen fanden sie Blut, aber nichts von dem anderen. Vielleicht ein Mord mit anschließendem Selbstmord.«
    »Das war das Mädchen, das im Dunkeln rudert«, sagte Jun Do. »Sie hat eine Signalpistole abgefeuert.«
    Am Tisch wurde es still.
    »Sie ist mit geschlossenen Augen gerudert«, erläuterte Jun Do. »Das war ihr Fehler. Deswegen ist sie vom Kurs abgekommen.«
    Tommy fragte: »Und warum haben Sie nach dem Schicksal der Mädchen gefragt, wenn Sie schon Bescheid wussten?«
    »Ich wusste nicht, was aus ihnen geworden ist. Ich wusste nur, dass etwas schiefgelaufen ist«, antwortete Jun Do.
    »Erzählen Sie uns doch, was mit Ihnen passiert ist«, forderte ihn die Frau des Senators auf. »Sie sagten, Sie wären zur See gefahren. Wie ist es zu Ihrer schrecklichen Verwundung gekommen?«
    »Es ist noch zu früh«, hielt Dr. Song dagegen. »Die Verletzung ist noch zu frisch. Diese Geschichte ist schwer zu ertragen.« Zu Jun Do gewandt sagte er: »Ein andermal, richtig?«
    »Es geht schon. Ich kann darüber reden«, sagte Jun Do und berichtete in allen Einzelheiten von seiner Begegnung mit den Amerikanern: Wie die Junma geentert wurde, wie die Marinesoldaten ihre Gewehre hielten, wie ihre KleidungRußflecken davontrug. Er erklärte, wie sie die Schuhe aus dem Wasser gefischt und überall auf Deck liegen hatten. Jun Do beschrieb, wie die Soldaten rauchten und in den Turnschuhen wühlten, nachdem das Schiff für ungefährlich erklärt worden war, wie sie sich Andenken stahlen, darunter auch die unantastbaren Bildnisse des Großen und des Geliebten Führers, wie das Messer gezückt und die Amerikaner zum Rückzug gezwungen worden waren. Er erwähnte den Feuerlöscher. Er schilderte, wie die Offiziere auf dem amerikanischen Kriegsschiff Kaffee tranken und auf sie herunterschauten. Er beschrieb die Cruise Missile, die auf dem Feuerzeug des Soldaten die Muskeln spielen ließ.
    Der Senator fragte: »Aber wie ist es denn nun zu Ihrer Verletzung

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