Das geraubte Paradies
dass wenigstens vier Tage Vorbereitungszeit gebraucht würden, höchstens sechs. Achtundvierzig Stunden sind wir also noch sicher. Danach …«, Sie verstummte.
Jonan sah, dass die Worte der Widerständlerin nicht ohne Folgen blieben. Aidalons Augen weiteten sich. Der Mund des Mondkaisers presste sich zu einem schmalen Strich zusammen. Selbst Iudicaton, dessen Gesicht unter dem Helm, den er nie abzusetzen schien, nicht zu sehen war, wirkte angespannt.
»Das ist ein großes Problem«, sagte der ältere Paladin. »Ich bezweifle, dass es unseren Truppen in der kurzen Zeit gelingen wird, die Blockade des Passes zu durchbrechen.«
»Habe ich recht gehört?«, ereiferte sich der Großinquisitor. »Die Erdenwacht besitzt eine strategische Massenvernichtungswaffe aus der Zeit des Sternenfalls? Wieso beim Licht Gottes wussten wir davon nichts?«
»Diese Bombe sollte keine Rolle spielen«, erwiderte Alecander. »Sie sollte schon lange demontiert worden sein. Ich habe die Unterlagen zur Reduzierung des Arsenals der Erdenwacht selbst gelesen.«
»Nun, offenbar habt Ihr etwas falsch verstanden, denn die Bombe existiert noch. Das ändert alles. Wir müssen uns zurückziehen.«
»Darüber haben wir doch bereits gesprochen«, sagte der Mondkaiser. »Wenn wir uns jetzt zurückziehen, werden wir die Unterdrückung durch die Erdenwacht wahrscheinlich nie brechen können. Eine Gelegenheit wie diese bekommt man kein zweites Mal.«
»Wenn wir uns
nicht
zurückziehen, werden wir alle sterben. Dann hat die Erdenwacht ebenfalls gewonnen.«
Alecander atmete tief ein und aus. »Wir müssen die
Hephaistos
ausschalten.« Er wandte sich an seine Gesprächspartnerin am anderen Ende der Verbindung. »Hören Sie zu, Sie müssen den Start der Rakete verhindern, egal wie.«
»Na, der ist ja lustig«, brummte Ferrer. »Wie sollen wir das denn anstellen? Das Raketensilo ist Teil des Hauptquartiers der Erdenwacht. Da kann man nicht so einfach reinspazieren.«
»Im Augenblick vielleicht leichter denn je«, entgegnete Emm. »Alle Kräfte sind am Westpass gebündelt. Die ganze Aufmerksamkeit richtet sich dorthin.«
»Trotzdem wird es Wachen geben. Und die schießen mit scharfer Munition. Ich bin ein Techniker, kein Ein-Mann-Kommandoteam.«
»Ich kann es machen«, sagte Carya. Sie war sich nicht sicher, ob das stimmte, aber wenn es jemanden in ihrem kleinen Rund gab, der zu so einem Sabotageakt imstande war, dann wohl sie. »Für eine Aufgabe wie diese habt ihr mich schließlich in eure Reihen geholt.«
»Stimmt«, pflichtete Ferrer ihr bei. »Carya kann es versuchen. Gute Idee.«
»Sie braucht trotzdem jemanden, der ihr bei den technischen Details hilft«, gab Emm zu bedenken.
»Ach, Dreck …«, murmelte Ferrer.
Carya trat ans Funkgerät. »Paladin Alecander, hier spricht Carya. Wenn Ihr mir sagt, wie ich vorgehen soll, bin ich bereit, es zu wagen.«
Als Jonan die Stimme vernahm, machte sein Herz einen Satz. »Carya!«, entfuhr es ihm. Alecander hatte ihm gesagt, dass sie lebte und wohlauf war, aber es mit eigenen Ohren zu vernehmen war noch einmal etwas völlig anderes.
»Jonan, du bist auch da?« Die Freude und Erleichterung in Caryas Stimme war nicht zu überhören.
»Ja, ich …« Jonan sah Alecander flehend an. »Darf ich mit ihr sprechen? Bitte. Nur zwei Minuten.«
»Das soll wohl ein Witz sein?«, knurrte Aidalon. »Wir befinden uns mitten in einer Einsatzbesprechung.«
Der Paladin trat vom Funkgerät zurück und überließ es Jonan. »Diese junge Dame ist womöglich unsere einzige Hoffnung, dieses Desaster überhaupt noch in einen Sieg zu verwandeln. Ich würde sagen, wir schulden den beiden ein paar Augenblicke der Zweisamkeit.«
Der Mondkaiser nickte und deutete zum Planungstisch auf der anderen Seite des Raums. »Widmen wir uns unterdessen der Frage, wie und wo wir unsere Truppen über die Berge führen können.« Die vier Männer zogen sich zurück, und Jonan beugte sich über das Funkgerät.
»Carya, wir haben zwei Minuten oder so«, sagte er leise.
Es dauerte einen Augenblick, dann kam ihre Antwort. »Ist gut. Ich habe die anderen ins Erdgeschoss geschickt, um mal nach unseren Gefangenen zu schauen.«
»Ich bin so froh, dass du noch lebst und wohlauf bist«, gestand Jonan.
»Geht mir auch so. Ich hatte solche Angst. Dymond, der Oberst der Zonengarde, behauptete, du seist tot.«
»Ein bisschen übertrieben, aber glücklicherweise wollte der Pilot, der dich entführt hat, nicht genauer nachschauen. Er hat meinen
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