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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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sterben würden.
    Um dies zu verhindern, musste ihm erneut die Flucht aus Arcadion gelingen, eine Flucht, die ihm einfacher fallen würde, wenn er sich reumütig gab. Das Haus der Erleuchtung war, wie Jonan wusste, ein Kloster am Ostrand der Stadt, eine Besserungsanstalt für Bürger, die sich keiner schweren Straftaten schuldig gemacht hatten, sondern nur ein wenig vom rechten Pfad abgekommen waren. Dem Gesetz nach wäre Jonan der Galgen oder zumindest lebenslange Kerkerhaft sicher gewesen. Dass sein Vater für ihn das Haus der Erleuchtung hatte aushandeln können, grenzte an ein Wunder, das nur einmal mehr zeigte, wie sehr in dieser Stadt mit zweierlei Maß gemessen wurde. Nicht dass Jonan in diesem Augenblick dafür nicht dankbar gewesen wäre, denn das Haus der Erleuchtung war eine Anstalt von bestenfalls mittlerer Sicherheit. Wenn ihm von irgendwo der Ausbruch gelingen konnte, dann von dort.
    Einen Moment lang erwog Jonan, seinen Vater ins Vertrauen zu setzen, ihn über die Lage im Norden zu unterrichten und ihn zu bitten, ihn erneut ziehen zu lassen. Aber er verwarf diesen Gedanken gleich wieder. Sein Vater wusste höchstwahrscheinlich nichts von der Existenz der Erdenwacht. Für ihn führten der Lux Dei und der Mondkaiser einen Glaubenskrieg gegen den Ketzerkönig. Alle, die Jonans Geschichte bezeugen könnten, befanden sich noch im Norden. Also warum sollte sein Vater ihm Glauben schenken? Er würde Jonans Worte für eine abenteuerliche Lüge halten, um zu Carya zurückkehren zu können. Vielleicht hatte Aidalon, der seine Verbündeten ja verraten hatte, Lucian Estarto sogar vorgewarnt, dass Jonan die tollsten Märchen erfinden würde, um wieder freizukommen. Und Jonan bezweifelte, dass sein Wort in den Ohren seines Vater mehr Gewicht haben würde als das des Großinquisitors und dreier Tribunalpalastgardisten. Ihm blieb also nur der eine Ausweg: mitzuspielen, bis die Aufmerksamkeit seiner Bewacher einen Moment lang nachließ.
    Jonan hob den Blick und sah seinen Vater ernst an. »Ich beuge mich deinem Urteil. Was bleibt mir anderes übrig? Ich denke nach wie vor, dass in Arcadion einiges falsch läuft. Aber vielleicht habe auch ich Fehler gemacht. Es gibt vieles, worüber ich nachdenken sollte. Das Haus der Erleuchtung scheint dafür der richtige Ort zu sein.«
    Zufrieden erwiderte sein Vater seinen Blick. »Es ist ein Anfang, und der erste Schritt ist stets der wichtigste, wenn man in seinem Leben einen neuen Weg einschlägt. Ich bin froh, dass du zur Einsicht bereit bist, mein Sohn. Die Zeit im Haus der Erleuchtung wird dir sicher guttun.«
    Er stand auf und begab sich zur Tür, um die Wachen hereinzurufen. »Ich bin gleich zurück«, versprach er Jonan. »Es gilt bloß noch ein paar Formalitäten zu erledigen.«
    Tatsächlich dauerte es keine Viertelstunde, bis Lucian Estarto erneut auftauchte, nun wieder ganz der raumgreifende Staatsmann, als der er in der Öffentlichkeit gerne auftrat. »Meine Herren«, wandte er sich an die beiden Wachen, »wenn Sie mich und meinen Sohn begleiten würden. Unser Ziel ist das Haus der Erleuchtung.«
    Sie gingen in den Hof hinaus, wo der Wagen von Jonans Vater mit seinen vier Pedalisten wartete. Die Männer warfen Jonan verstohlene Blicke zu. Damit würde er ab heute wohl eine Weile leben müssen. Er war nun in Arcadion eine Art fragwürdige Berühmtheit. Der Mann, der mit einem Kampfhubschrauber eine Hinrichtung auf dem Quirinalsplatz gesprengt hatte. So etwas erlebte man nicht alle Tage.
    Sie stiegen ein und fuhren los. Als sie das Tor des Tribunalpalasts passierten, schlug die Turmglocke zur elften Stunde. Jonans Gedanken glitten wieder gen Norden, und ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit. Tief in der Schwarzen Zone waren Dymonds Schergen mit den Startvorbereitungen für eine Rakete von apokalyptischer Sprengkraft beschäftigt. Unterdessen befanden sich Denning und seine Leute bereits mit einer Ladung Treibstoff auf dem Weg zum vereinbarten Sammelpunkt unweit der Insel der Invitros. Ihm lief die Zeit davon. Wenn er noch irgendetwas erreichen wollte, musste er schnell handeln.

Kapitel 35
    Der Abt des Hauses der Erleuchtung – in anderen Worten der Direktor der Besserungsanstalt – empfing Jonan, seinen Vater und die beiden Tribunalpalastwachen im Hof der Klosteranlage. Das gelb getünchte, mehrstöckige Anwesen war annähernd hufeisenförmig angelegt und mochte früher mal der Sitz eines reichen Patriziers gewesen sein. Solange Jonan denken

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