Das geraubte Paradies
auf dieses Tal vorüber – und es wird keinen zweiten geben.«
»Und was, wenn
ihr
beiden scheitert?«, wandte Emm ein. »Wenn ihr bei dem Versuch, die Anlage zu infiltrieren, zu Tode kommt? Das hätte das gleiche Ergebnis zur Folge. Uns bleibt noch Zeit. Wir wissen, dass die Rakete frühestens in vierzig Stunden einsatzbereit sein wird. Wir können beide Wege versuchen. Lass uns noch einmal mit den Arbeiterführern sprechen. Und sollte sich abzeichnen, dass wir die Invitros nicht zu mobilisieren vermögen, könnt ihr immer noch losziehen, um die
Hephaistos
auf die harte Tour aufzuhalten.«
Nachdenklich schürzte Carya die Lippen. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Es ist zu riskant, zu warten. Wir sollten so schnell wie möglich loslegen. Denk dir nur, Emm: Was, wenn die Techniker sich geirrt haben und schneller mit ihren Reparaturen und Startvorbereitungen fertig sind? Stell dir vor, wir marschieren mit einem Heer von Invitros auf das Ratsgebäude der Erdenwacht zu und sehen nur noch, wie die Rakete in den Himmel steigt. Es tut mir leid. Ich halte das für zu gefährlich. Meiner Meinung nach dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.«
Ungehalten sprang Emm auf. »Ja wollt ihr denn unbedingt euer Leben aufs Spiel setzen? Ferrer, was ist mit dir?«
Der Invitro-Techniker zog die Schultern hoch. »Ich habe echt keine Ahnung, Emm. Ihr habt beide gute Argumente. Ein friedlicher Umsturz, der die Gunst des Augenblicks nutzt, wäre mir lieber. Aber die Gefahr, dass wir damit die Pläne von Dymond und dem Rat nicht rechtzeitig aufhalten können, besteht. Also ich denke … ich denke, wenn Carya morgen Abend in die Anlage eindringt, bin ich dabei.«
»Morgen?«, echote Carya. »Ich wollte gleich los!«
Ferrer schüttelte den Kopf. »Nein, Carya, das ist wirklich Wahnsinn. Ich brauche noch Ausrüstung. Wir haben keinen Grundriss der Anlage. Und in diesem Aufzug …«, er deutete auf ihre Kleider, »… kommen wir keine zwei Gänge weit. Ich kenne jemand, der uns vielleicht helfen kann. Er gehört zum Reinigungspersonal des Ratsgebäudes. Aber der braucht ein wenig Zeit, um uns einzuschleusen, verstehst du?«
Missmutig presste Carya die Lippen zusammen, nickte aber. Sie musste zugeben, dass ein frontaler Sturmangriff ungeachtet ihrer Fähigkeiten vermutlich zum Scheitern verurteilt war. Und wenn ein heimliches Vorgehen noch etwas Vorbereitung bedurfte, musste sie sich damit abfinden.
»Schön«, sagte Emm. »Dann bleiben mir ja vierundzwanzig Stunden, um einen friedlichen Aufstand herbeizuführen.« Sie schickte sich an, zur Tür zu gehen.
Ferrer stand auf. »Emm, ist das dein Ernst? Du willst jetzt losziehen, um mit den Arbeiterführern zu sprechen?«
»Wann soll ich es sonst tun? Wie ihr so schön sagtet: Uns läuft die Zeit davon.«
»Aber warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht nachdem wir die Rakete ausgeschaltet haben, wie Carya es vorgeschlagen hat?«
Emm sah ihn mit seltsamer Miene an. »Wenn du es nicht verstehst, kann ich dir nicht helfen. Trotzdem gehe ich. Wir treffen uns morgen Abend in meinem Versteck. Mal sehen, was ich bis dahin erreicht habe.« Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Raum.
Kopfschüttelnd drehte Ferrer sich zu Carya und Pitlit um. »Tut mir leid. Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist.«
»Ist doch ganz klar«, sagte Pitlit, der sich aus der ganzen Diskussion gepflegt herausgehalten hatte. »Sie will nicht, dass du mit Carya ins Ratsgebäude gehst. Und weißt du, warum? Weil sie in dich verknallt ist.«
»Äh … was?« Verwirrt drehte sich der Invitro-Techniker zur Eingangstür um. »Bist du sicher?«
»Klaro«, gab Pitlit zurück. »Sieht doch jedes Kind.« Er grinste vielsagend.
Jonan befürchtete schon, dass sein Vater ihn die nächsten paar Tage einfach in der Obhut der Wächter des Tribunalpalasts lassen würde – als disziplinarische Maßnahme sozusagen. Sein Plan, dem Mondkaiser, Paladin Alecander und den auf dem Pass in der Schwarzen Zone festsitzenden Truppen zu helfen, wäre damit auf eine Weise hinfällig geworden, die man nur als bittere Wende des Schicksals hätte bezeichnen können. Doch zum Glück dauerte es kaum vier Stunden, bis Jonans Zellentür wieder geöffnet wurde und man ihn durch die Gänge des Tribunalpalasts zu einem kleinen, schmucklos eingerichteten Raum führte, der, wie Jonan wusste, normalerweise für Verhöre verwendet wurde. Dort erwartete ihn sein Vater.
Lucian Estarto hatte sich nicht verändert, seit Jonan ihn das letzte Mal
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