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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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gesehen hatte. Noch immer beherrschte er jeden Raum, den er betrat, mit dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein des erfolgreichen Politikers. Vielleicht hatten sich ein paar graue Strähnen mehr in sein schwarzes Haar geschlichen und womöglich wirkte sein braun gebranntes Gesicht, das so zerfurcht war wie die ausgetrockneten Einöden am Südrand der Einflusssphäre des Lux Dei, ein wenig eingefallener als früher. Aber ganz sicher war sich Jonan nicht.
    »Jonan«, begrüßte ihn sein Vater, und dabei gelang ihm das Kunststück, in dieses eine Wort zugleich tiefe Erleichterung und noch tiefere Enttäuschung zu legen; Erleichterung darüber, dass er seinen Erben wohlbehalten wiederhatte, Enttäuschung, weil die Umstände alles andere als rühmlich zu nennen waren. Jonans Taten hatten ihm eine Laufbahn in den Rängen des Templerordens verbaut, und sein Weg hinauf in die herrschende Kaste Arcadions mochte dadurch um ein Vielfaches steiniger geworden sein, wenn nicht gar völlig unbegehbar. Nicht dass das Jonan sonderlich gekümmert hätte. Sein Vater hingegen sah das ganz anders.
    »Vater«, antwortete Jonan mürrisch. Die Wachen wiesen ihn an, sich auf einen der zwei Stühle zu setzen, die an dem quadratischen Holztisch in der Mitte des Raums standen. Anschließend zogen sie sich zur Tür zurück, ohne allerdings nach draußen auf den Korridor zu gehen.
    Jonans Vater schien das nicht zu genügen. »Würden Sie mir einen Augenblick mit meinem Sohn allein gewähren?« Sein Tonfall war weniger Bitte als Befehl. »Es besteht ja keine Fluchtgefahr und selbst wenn, wäre das ab jetzt mein Problem. Großinquisitor Aidalon hat mir Jonan offiziell übergeben.«
    Gehorsam verschwanden die Wächter auf den Gang, wobei sie die Tür allerdings sorgsam verschlossen. Als sie allein waren, setzte Lucian Estarto sich auf den leeren Stuhl. Er faltete die Hände, legte sie auf die Tischplatte und musterte Jonan wortlos. »Schau dich nur an«, sagte er mit deutlichem Vorwurf in der Stimme. »Eine Frisur wie ein Straßenjunge, dazu die Lederjacke eines Banditen. Was ist aus dem schmucken jungen Mann geworden, der mit Stolz die Rüstung der Tribunalpalastgarde getragen hat?«
    »Er ist erwachsen geworden und hat erkannt, dass es im Leben nicht nur darum gehen kann, um jeden Preis zu den Herrschern zu gehören, vor allem dann nicht, wenn der eigene Aufstieg das Opfern anderer Menschen beinhaltet«, antwortete Jonan und knüpfte damit an das Gespräch an, das er vor vielen Wochen mit seinem Vater in dessen Wagen geführt hatte.
    Lucian Estarto schnaubte. »Und stattdessen bist du lieber ein Rebell? Ein Verbrecher? Ein Verräter an all denen, die dir bislang ein sorgloses Leben ermöglicht haben? Deine Schwärmerei für dieses verrückte Mädchen Carya hat deinen Geist verwirrt. Es ist ja schön und gut, dass ein junger Kerl über ein Paar hübsche Beine, rosige Wangen und lange Haare den Kopf verliert, aber, verdammt nochmal, doch nicht so!« In den Augen von Jonans Vater blitzte es zornig auf, und sein Tonfall hatte an Schärfe gewonnen.
    »Vater, ich …«, begann Jonan, doch dieser unterbrach ihn.
    »Nein, Jonan, jetzt rede ich! Ist dir überhaupt klar, was du angerichtet hast? In dieser Stadt herrschte Frieden! Unserer Familie ging es gut. Du warst auf dem Weg, ein geachtetes Mitglied der Tribunalpalastgarde zu werden, und meine Kollegen im Stadtrat haben mich zu einem Sohn wie dir beglückwünscht. Und dann triffst du dieses junge Weibsbild! Hättest du für sie ein paar Rosen aus dem Garten des Ratspalasts gestohlen, sei’s drum. Verdammt, hättest du sie geschwängert, wäre ich damit irgendwie klargekommen. Aber du hast deine Kameraden verraten und bist dieser Carya wie ein gedankenloser Tor auf einen Kreuzzug gegen den Tribunalpalast und damit den Lux Dei gefolgt, der die Stadt völlig ins Chaos gestürzt hat. Ein Überfall auf einen Gefangenentransporter auf offener Straße. Der Raub des einzigen Vor-Sternenfall-Fluggeräts des Templerordens. Und als krönender Abschluss dieser aberwitzige Angriff auf eine öffentliche Veranstaltung auf dem Quirinalsplatz. Dort sind deinetwegen Menschen gestorben! Brave Bürger Arcadions. Was hast du dir bloß dabei gedacht, Sohn?«
    »Ich habe für die gekämpft, auf deren geschundenem Rücken dein ganzes verlogenes System Arcadion aufbaut, Vater«, erwiderte Jonan nun ebenfalls wütend. »Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wie das wahre Leben auf den Straßen aussieht. Oder, schlimmer

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