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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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hindurch und schloss ebenso leise wieder ab. Den Schlüssel legte sie lautlos wie ein Geist und sanft wie ein Lufthauch neben dem Mönch auf den Steinboden.
    Kurz darauf erreichten sie ungesehen eine Tür, die in den eingefriedeten Garten hinter dem Hauptgebäude führte. Vorsichtig warf Jonan einen Blick ins Freie. Zwei Mönche spazierten dort auf dem Kiesweg entlang. Sie schwenkten schmale Anhänger vor sich hin und her, die, wie Jonan wusste, die dreistrahlige Sonne des Lux Dei zeigten, und waren tief ins Gebet versunken. Dennoch glitt er mit Elje hinter einen dichten Busch und wartete dort, bis die beiden Männer im fernen Teil des Gartens außer Sicht geraten waren, bevor er sich nach einem Fluchtweg umschaute.
    Elje deutete auf eine Stelle, wo mehrere Bäume hinter der Gartenmauer aufragten. Einer war nicht ordentlich gestutzt, sodass ein Ast ein wenig über die Mauer ragte. Dort musste das Mädchen aufs Gelände gekommen sein. Jonan schätzte den Abstand vom Boden zum Ast. Es war recht hoch, aber wenn er einen kräftigen Sprung hinlegte, erreichte er ihn vielleicht. »Versuchen wir es«, sagte er.
    Sie schlichen hinter Büschen und sorgsam beschnittenen Zypressen entlang, bis sie die besagte Mauerstelle erreichten. »Du zuerst«, sagte Jonan. Er versicherte sich ein letztes Mal, dass die Mönche noch außer Sicht waren, bevor er Elje rasch hochhob, sodass sie sich über den Ast auf die Mauer ziehen konnte. Er selbst legte die Mönchskutte ab, die ihn beim Sprung nur behindert hätte, und schnellte kraftvoll aus den Knien in die Luft. Schon im ersten Anlauf bekamen seine Hände den Ast zu fassen, und rasch hangelte er sich über die Mauer. Er ließ sich nach unten fallen und landete in der Hocke.
    Sie befanden sich auf einer Seitenstraße im Osten von Arcadion. Im Moment war die Straße, vermutlich der Mittagszeit wegen, menschenleer, aber früher oder später würden sie sicher jemandem begegnen. Jonan zog die Lederjacke aus, damit er nicht ganz so sehr wie ein Straßenräuber aussah, und klemmte sie sich unter den Arm. Dann krempelte er die Ärmel seines Hemdes hoch, um mehr wie ein Arbeiter zu wirken, ein Eindruck, der durch seine wilde Frisur und den Dreitagebart glücklicherweise befördert wurde. Schließlich nickte er Elje auffordernd zu. »Also komm.«
    Jonans Plan war einfach: Er musste aus Arcadion raus und so schnell wie möglich nach Norden zur Insel der Invitros. Dazu brauchte er ein Fahrzeug, am besten ein Motorrad. Dieser Gedankengang führte ihn zu Professor Adara und der Ascherose. Als sie damals im Ödland vor Arcadion auseinandergegangen waren, hatte Jonan Adara sein Motorrad überlassen – eine der Maschinen, die nach dem Überfall des Lux Dei auf das Dorf der Ausgestoßenen und der anschließenden Erschießung der bezahlten Motorradbanditen durch die Tribunalpalastgarde übrig geblieben waren. Wenn Jonan Glück hatte, besaß Adara das Gefährt noch und überließ es ihm.
    In Sichtweite des Aureuswalls bewegte sich Jonan mit Elje nach Süden, bis sie die Straße unweit des Osttors erreichten, in der das Versteck der Ascherose lag. Jonan blickte zu den Fenstern hinauf, doch deren Läden waren geschlossen. Auch auf sein Klingeln reagierte niemand. »Verdammt«, murmelte er, »entweder haben sie die Wohnung aufgegeben oder Adara ist gerade unterwegs.«
    Da er keine Zeit hatte, darauf zu warten, ob der Professor irgendwann zurückkehrte, entschloss er sich, sein Glück an anderer Stelle zu versuchen. Von Carya und Enzo wusste er, dass es in einer Seitengasse östlich des Corsos ein Café gab, das einer Frau namens Gamilia gehörte und ein geheimer Invitro-Treffpunkt war. Außerdem stand Gamilia im
Caffè Speranza
per Funk mit den Bewohnern der Invitro-Insel in Kontakt. Vielleicht konnte sie ihm helfen.
    Als er das Café erreichte, erlebte er eine weitere Enttäuschung. Es war offensichtlich geschlossen worden. Das Schild über der Tür fehlte, und eine Handvoll weiß gestrichener Stühle und Tische standen gestapelt in einer Ecke an der Wand. Leise vor sich hin fluchend lief Jonan vor dem Café auf und ab. So langsam gingen ihm die Ideen aus.
Vielleicht sollte ich mich an Capolitto wenden
, dachte er. Allerdings würde der alte Mann, der als Nachtwächter im Lagerhaus von Jonans Onkel, einem Großhändler, arbeitete, erst mit Einbruch der Dämmerung an seinem Arbeitsplatz im Industrieviertel von Arcadion erscheinen.
    Aus einem benachbarten Hauseingang kam ein Mann heraus. Er musste um die

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