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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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flüsterte er. »Sollten die Wachen die Plane zurückschlagen, rennst du. Aus der Stadt raus. Sieh dich nicht um, einfach immer weiter bis zum Rand der Ruinen. Dort treffen wir uns. Verstanden?«
    Das Mädchen nickte. Jonan war sich ziemlich sicher, dass die Stadtwachen Elje laufen lassen würden. Sie war bloß ein Kind. Und es gab in Arcadion viele Straßenkinder. Sie würden nicht auf sie schießen. Im Gegensatz zu manchem sadistischen Mistkerl in den Reihen der Inquisition waren die meisten Stadtwachen einfache Männer mit einer guten Portion Anstandsgefühl.
    Wie es um ihn selbst bestellt sein würde, darüber war sich Jonan weniger klar. Wenn er Glück hatte, hielten die Wachen ihn für irgendeinen Dieb, der Ärger mit dem Gesetz hatte und aus Arcadion zu verschwinden versuchte. Dann hing es vom Betrieb am Tor ab, ob sie ihm folgen oder auf ihn schießen würden. Erkannten sie ihn jedoch als den Hochverräter Jonan Estarto, wurde es eng. In dem Fall würden sie ihn ganz sicher jagen, denn er hatte gemeinsam mit Carya einen Gefangenentransport der Wache angegriffen. Dabei war auch ein junger Mann gestorben. So etwas vergaß die Stadtwache nicht so schnell – und die Neuigkeit von Jonans Amnestie durch Aidalon, die nach Jonans Flucht aus dem Haus der Erleuchtung vermutlich schon wieder hinfällig war, hatte sich bestimmt noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen.
    All seine Sorgen erwiesen sich aber als unbegründet. Mattis Karren rumpelte unbehelligt durch das Tor und auf der Handelsstraße entlang in Richtung der Industrieanlagen, die sich außerhalb der Stadt befanden. Bevor er allerdings in die Nähe der Fabriken kam, bog der Schrottsammler, wie Jonan durch einen Spalt in der Decke sah, in eine unbelebte Querstraße am Rand der Ruinen ab. In weiten Teilen des Trümmergürtels um Arcadion hätte Jonan jetzt angefangen, sich Sorgen zu machen und sich sein Templersturmgewehr herbeigewünscht. Der Süden galt jedoch als relativ sicher, nicht zuletzt, weil dort Arcadion langsam über seine gemauerten Grenzen hinauszuwachsen begann.
    Trotzdem war die Gegend einsam genug, um als Versteck zu taugen. Außer ihnen war kein Mensch zwischen den leer stehenden Wohnblöcken unterwegs, die zum Teil eingestürzt waren, zum Teil aber auch noch acht und mehr Stockwerke in die Höhe ragten. In leeren Fensterhöhlen hockten Tauben. Kletterpflanzen rankten an Balkonen hoch. Jonan kam zu dem Schluss, dass sie sicher waren, schlug die Decke beiseite und stieg mit Elje aus dem Karren. »Wir wollen Ihnen ja nicht mehr Arbeit machen als nötig.«
    Matti, dem aufgrund der Mittagssonne und der Anstrengung der Schweiß auf der Stirn stand, grinste. »Weiß ich zu schätzen. Wir sind sowieso fast da. Dort vorne ist es.« Er deutete auf ein unscheinbares Bauwerk mit vier Stockwerken, das eine blassrote Fassade mit weißen Fenstern aufwies und vor dem mehrere Sträucher hemmungslos die Einfahrt zuwucherten.
    Sie parkten ihr Gefährt hinter den Sträuchern, und Matti ging mit ihnen zum Haus hinüber. »Mal sehen, ob jemand da ist«, sagte er. »Manchmal sind sie unterwegs, um … na ja … eben das zu tun, was sie so tun.« Mit einem Eisenrohr, das neben der Tür im Erdreich steckte, hämmerte er kräftig gegen das Holz, dreimal kurz, zweimal lang, dreimal kurz – eindeutig ein Klopfzeichen. »Die hocken im Keller, da muss man etwas lauter sein«, erklärte er entschuldigend.
    Es dauerte eine Minute, aber dann vernahmen sie von innen Schritte. »Wer ist da?«
    »Der Primus vom Lux Dei, was denkst du denn?«, tönte Matti ungehalten. »Cleverer Code«, raunte er Jonan mit verschmitztem Grinsen zu. »Hätte ich der
Großinquisitor
gesagt, hätten sie gewusst, dass etwas nicht stimmt.«
    Die Tür wurde entriegelt und geöffnet. Jonans Augen weiteten sich. Vor ihm im Türrahmen stand Enzo.

Kapitel 36
    Enzo …« Jonan starrte den alten Invitro und Exsoldaten entgeistert an. »Ich dachte, Sie wären tot.«
    »Jonan Estarto, das nenne ich eine wirklich gelungene Überraschung.« Enzo packte ihn an den Oberarmen, und sein faltiges Gesicht verzog sich zu einem freudigen Grinsen. »Aber alle Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben. Wer erzählt denn so etwas überhaupt?«
    »Ihr Bruder Luceno«, antwortete Jonan. »Er hätte mich deswegen beinahe erschossen, weil er mich dafür verantwortlich gemacht hat, dass Sie hier in Arcadion den Rebellen spielen.«
    »Oh.« Enzo ließ Jonan los und verzog die Miene. »Tja, das tut mir leid. Das

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