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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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fünfzig sein, war beleibt, trug leicht heruntergekommene Kleidung, und das lichter werdende Haupthaar machte er durch einen zerzausten Bart wett. »Entschuldigung, mein Freund«, sagte er, als er sich Jonan näherte. »Hast du mal Feuer?« Wie zur Erklärung hob er die Linke, zwischen deren Fingern eine Zigarette steckte.
    »Nein, tut mir leid«, sagte Jonan kopfschüttelnd.
    »Macht nix, mir fällt gerade ein, dass ich selbst welches habe.« Der Mann zückte ein Briefchen mit Streichhölzern und zündete sich die Zigarette an. »Sag mal, du bist doch Jonan, der Widerständler, nicht wahr?«
    Alarmiert sah dieser ihn an.
    »Also lag ich richtig.« Der Mann musterte ihn neugierig. »Das ist ja ein Ding. Wir dachten, du würdest nie zurückkehren.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, sagte Jonan in dem lahmen Versuch, abzustreiten, was sich angesichts all der Steckbriefe, die noch vor ein paar Wochen jede zweite Straßenecke geziert hatten, kaum abstreiten ließ.
    »Ganz ruhig, bin einer von den Guten, ein Freund von Gamilia. Die suchst du doch, oder?«
    »Ich bin nur hier, weil ich einen Malzkaffee trinken wollte. Eine Freundin hat mir das Café empfohlen.«
    Der Mann lachte leise. »Ja, schon klar. Gamilia hat wirklich guten Kaffee gekocht. Aber wenn du den trinken willst, bist du hier falsch. Dann musst du nach Süden, in den Trümmergürtel außerhalb von Arcadion. Da hat Gamilia einen neuen
Laden
eröffnet, zusammen mit ein paar Freunden. Du weißt schon.« Er deutet vielsagend auf die Asche an der Spitze seiner Zigarette.
    Prüfend sah Jonan den Mann an. Es war schwer abzuschätzen, ob er die Wahrheit sprach. Andererseits hätte er auch einfach die Stadtwache rufen können, wenn er Jonan hätte schaden wollen. »Na schön, vielleicht suche ich Gamilia und ihre Freunde. Wie kann ich sie finden? Der Trümmergürtel ist groß.«
    »Tja, du könntest mit mir fahren. Bin Schrottsammler und fahre recht häufig nach draußen. Die Stadtwachen interessieren sich nicht für mich und auch nicht für das, was hinten in meinem Karren liegt.«
    »Warum helfen Sie uns? Wenn man Sie mit mir erwischt, kriegen Sie großen Ärger.«
    Achselzuckend sog der Mann an seiner Zigarette. »Bin halt kein Freund des Lux Dei. Und habe gehört, dass du ein Freund von Leuten wie uns bist.«
    »Wie uns?«, echote Jonan.
    Statt einer Antwort schob der Mann sein fleckiges Hemd nach oben. Er besaß keinen Bauchnabel.
    »Jetzt verstehe ich«, sagte Jonan. Auf Eljes fragenden Blick hin fügte er hinzu: »Er ist ein Invitro.« Als sie immer noch nicht verstand, schüttelte er den Kopf. »Ich erkläre es dir später.« Er wandte sich wieder dem Mann zu. »Also, wenn es Ihnen recht ist, machen wir uns sofort auf den Weg.«
    »Von mir aus. Komm. Mein Name ist übrigens Matti.« Er hielt Jonan eine schwielige Pranke hin.
    »Freut mich. Ich bin Jonan, aber das wissen Sie ja schon. Das ist Elje. Ich kümmere mich um sie.«
    »Hübsches Ding«, sagte Matti, zwinkerte dem Mädchen zu und grinste. In seinem Mund fehlten einige Zähne.
    Sie gingen in das Haus, aus dem der Schrottsammler getreten war, und durch einen hohen, dämmrigen Treppenflur direkt in den Hinterhof. In einem Schuppen stand ein Karren, vor den ein Fahrrad gespannt war, auf dessen Gepäckträger sich ein seltsamer Kasten befand, der mithilfe von Zahnrädern und Ketten mit der Hinterachse verbunden war. »Ein Motor mit Bleiakkumulator«, erklärte Matti mit hörbarem Stolz in der Stimme. »Hat mir ein Freund gebaut. Unterstützt mich, wenn ich einen der vermaledeiten Berge dieser Stadt hinauffahren muss. Man kommt zwar nicht schnell voran, aber besser als nichts.«
    Der Schrottsammler deutete auf den Karren. »Versteck dich mit dem Mädchen da drauf. Ich lege noch eine Decke drüber und ein bisschen leichten Krempel obenauf. Dann fragt keiner nach.«
    Nickend kam Jonan der Aufforderung nach, und nachdem Matti seinen Karren beladen hatte, schwang er sich auf das Fahrrad und radelte los. Der Schrottsammler ließ sich Zeit. Vielleicht konnte er auch nicht schneller. Jedenfalls dauerte ihre Fahrt mitten durch Arcadion bis hinunter zum Südtor der Stadt quälend lange, obwohl die Strecke höchstens fünf Kilometer maß.
    Als Matti langsamer wurde und sich dem befestigten und bewachten Südtor näherte, wurde Jonan mulmig zumute. Jetzt durfte nichts schiefgehen. Waren die Stadtwachen heute auch nur ein bisschen neugieriger als sonst, steckten sie in Schwierigkeiten. »Elje«,

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