Das geraubte Paradies
das ich Ihnen vermacht habe?«
»Wir haben es bei einem Überfall durch Wegelagerer verloren.« Jonan verzog die Miene.
»Das ist natürlich ärgerlich.« Luceno hielt ihm seinen Navigator hin. »Dann zeigen Sie mal, wo Ihr Mutantendorf liegt.«
Jonan brauchte eine Weile, bis er die Stelle gefunden hatte. Danach ermittelten sie anhand des Straßenschilds vor ihrer Nase ihre gegenwärtige Position und stellten fest, dass sie in der Tat zwei Kilometer zu weit sein mussten. Also wendeten sie ihre Kolonne und fuhren ein Stück des Weges zurück, bis sie die Straße fanden, die nach rechts in die Wildnis führte.
Auf kaum noch erkennbaren Pfaden kämpften sie sich gen Osten durch die Landschaft, überquerten den Tevere über die einzige uralte Brücke, die in dieser Gegend noch existierte, und erreichten dann die niedrige Bergkette, an deren Flanke sich das Dorf der Ausgestoßenen verbarg.
Doch sie fuhren nicht in die aufgegebene Siedlung hinauf, von der aus es nur einen Trampelpfad hinüber zu den Hallen unter dem Berg gab. Stattdessen verließen sie sich auf Lucenos Navigator, der sie um die Berge herumführte und dann eine völlig von Unkraut überwucherte Straße hinauf, die sich in Serpentinen den Hang emporzog. Schließlich erreichten sie die Überreste von Drahtzaun und die neben der Straße aufragende Ruine eines Pförtnerhäuschens, die den Eingang der Anlage markierten. Dahinter verschwand die Straße in einer riesigen, halb von Strauchwerk verborgenen Öffnung im Fels. »Da wären wir«, sagte Jonan.
»Ein alter Militärbunker?«, fragte Denning.
»Wozu die Hallen im Berg früher dienten, kann ich nicht sagen. Heute jedenfalls sind sie das Mausoleum der größten Sammlung an uraltem Kriegsgerät, die ich je gesehen habe.«
Sie stiegen aus und kamen mit Enzo und Luceno zusammen. Auch die übrigen Invitros kletterten aus dem Bus und von den Ladeflächen der Lastwagen, um sich umzuschauen. »Mann, was ist das denn?«, entfuhr es Cordoba, der in den Schatten des Höhleneingangs getreten war. »Hier drinnen ist ein Tor, das aussieht, als hätte es jemand mit einem Panzer aus dem Schienenrahmen gerissen.«
Jonan hüstelte. »Ich fürchte, genau das ist auch passiert. Es gab da unten anfangs einen
Leviathan
, den Enzo und ich wieder betriebsbereit gemacht haben, um mit seiner Hilfe Carya aus den Klauen der Inquisition zu retten.«
»Dort unten stand ein
Leviathan
-Panzer, und Sie sind damit nach Arcadion reingerauscht?«, fragte der Invitro ungläubig.
»Nicht ganz. Bei Gelegenheit erzähle ich Ihnen die Geschichte gerne.«
»Dann wollen wir doch mal sehen, was du in diesem Keller versteckt hast, hm?« Denning klatschte tatendurstig in die Hände, dann brüllte er über die Schulter: »Hook, du alter Schraubendreher, komm rüber. Das ist bestimmt was für dich.«
Durch den riesigen Tunnel, der in einer weiten Kurve in die Tiefe führte, drangen sie in den Berg vor, Jonan vorweg, Elje, Denning, Hook, Enzo und eine große Gruppe der Invitros hinterdrein. Einige der Veteranen hatten Lampen dabei, deren Licht ihnen den Weg wies. Mit leisem Gemurmel tauschten die Männer und Frauen ihre Ansichten darüber aus, welchem Zweck die Anlage früher wohl gedient haben mochte.
Als sie das Ende des Tunnels erreichten und in die riesige Halle traten, die sich daran anschloss, ging ein ehrfürchtiges Raunen durch die Reihen von Jonans Begleitern. »Heiliges Kanonenrohr!«, rief Denning aus. »Das ist ja ein Ding. Besser als jeder Piratenschatz, würde ich sagen.«
Jonan betrachtete die Szenerie, die sich ihnen bot, und nickte versonnen. Bis auf den
Leviathan
standen sie noch alle da, vom Schein der Handstrahler aus ihrem langen Schlaf in der Finsternis gerissen: die Truppentransporter und die Panzer, die Anhänger mit Raketenlafetten und die Tieflader mit Geschützen. Obwohl viele von ihnen merkliche Beschädigungen aufwiesen, war es ein erhabener Anblick. In gewisser Weise handelte es sich bei diesen verwitterten Fahrzeugen nicht weniger um Veteranen als bei den Invitros, die Jonan aus dem selbst gewählten Exil geholt hatte.
»Hat jemand eine Uhr?«, fragte er laut, um sich über das staunende Gemurmel verständlich zu machen.
»Ich«, antwortete Luceno. »Es ist halb eins.«
Jonan überschlug im Kopf die Reisedauer von hier zurück zur Schwarzen Zone. »Dann bleiben uns lediglich sechs bis sieben Stunden, um flottzukriegen, was flottzukriegen ist«, sagte er. »Sonst kommen wir nachher noch zu spät.«
»Auf
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