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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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tragen?«
    »Ehrlich?« Carya schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich gar nicht geachtet.«
    »Also, mir sind auf dem Weg bis jetzt bestimmt ein halbes Dutzend aufgefallen. Da vorne ist schon wieder einer.« Er deutete auf einen Mann, der schwer mit Einkäufen bepackt vor ihnen den Gehweg entlanglief. »Ich frage mich, ob die alle was ausgefressen haben. Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.«
    »Die Armbänder könnten verschiedene Verwendungsmöglichkeiten haben«, meinte Carya. »Zum Beispiel geht meine Wohnungstür auf, wenn ich mein Armband davorhalte. Das gleiche mag für Motorwagen gelten.«
    »Aber hätte dann nicht jeder so ein Armband?«, hielt Pitlit dagegen. »Nein, ich glaube, das hat mehr zu bedeuten.«
    In diesem Augenblick kam es vor ihnen zu einem Zwischenfall. Der Mann mit den Einkaufstaschen lief auf eine Kreuzung hinaus und prallte dabei unmittelbar hinter der Hausecke mit einer Frau zusammen, die auf einem eigentümlichen Fortbewegungsmittel stand, das aus zwei parallelen Rädern, einer kleinen Plattform und einer hochgezogenen Frontpartie mit Lenker bestand. Die Frau kreischte auf, und beide fielen zu Boden, wobei einige der Einkäufe des Mannes aus den Taschen auf den Gehweg rollten.
    Die Frau fing wüst an zu schimpfen, wobei Carya und Pitlit kein Wort verstanden, weil sie Albionisch sprach. Sie rieb sich die Handgelenke, schien sich aber dank gepolsterter Knie- und Ellbogenschoner nichts getan zu haben. Der Mann versuchte, sie zu beschwichtigen, dann nahm seine Stimme einen leicht vorwurfsvollen Tonfall an, während er auf den Gehweg deutete, auf dem die Frau mit ihrem Gefährt offenbar nicht hätte fahren dürfen.
    Das schien sein Gegenüber nur noch mehr in Wut zu versetzen. Lautstark überschüttete die Frau den Mann mit Schmähungen, während sie sich aufrappelte und ihr umgekipptes Fahrzeug wieder hinstellte. Der Mann blieb ungewöhnlich passiv. Entweder war er ein ziemlich schüchterner Bursche oder die Frau gehörte einer höheren sozialen Kaste an als er, sodass er es nicht wagte, ihr die Widerworte zu geben, die sie zweifellos verdient hatte.
    Mit einer letzten ungehaltenen Geste stellte sich die Frau wieder auf ihr Zweirad und fuhr weiter.
    »Komm«, sagte Carya zu Pitlit, während sie humpelnd ihre Schritte etwas beschleunigte, um an die Seite des Mannes zu gelangen. »Hallo«, sagte sie auf Arcadisch. »Dürfen wir Ihnen helfen?« Sie bedeutete Pitlit, sich nützlich zu machen und die auf dem Boden verteilten Lebensmittel einzusammeln, vor allem Äpfel und Kartoffeln.
    Der Mann sah sie einen Moment fast erschrocken an. Er mochte ein paar Jahre älter als Jonan sein und wirkte ganz nett, wenngleich etwas verhuscht. Dann musterte er sie etwas genauer und entspannte sich. »Danke«, antwortete er mit hörbarem Akzent. Er schaute zu Pitlit hinüber, und erneut entstand eine steile Falte auf seiner Stirn.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Pitlit.
    »Ja«, nickte der Mann. »Das ist nicht weiter schlimm.« Er deutete auf das Malheur auf dem Gehweg.
    »Ich meine: Warum gucken Sie mich so an?«
    Der Mann nickte in Pitlits Richtung. »Ich wusste gar nicht, dass sie wieder Kinder machen.«
    »Wie bitte?«
    »Kinder. Wie dich.«
    »Niemand hat mich gemacht«, versetzte Pitlit. »Außer meine Eltern, aber die können mir gestohlen bleiben. Hab auch gar keine Ahnung, ob sie noch leben. Ich bin meine Familie.« Er klopfte sich auf die Brust. »Na ja, und Carya.«
    »Du bist kein Invitro?«, fragte der Mann.
    »Natürlich nicht«, antwortete Pitlit. »Fleisch und Blut, von Kopf bis Fuß. Also echtes Fleisch und Blut, meine ich. Nicht aus einem Brutdingsbums. Ach, Sie wissen schon, was ich sagen will. Ich bin ein Mensch.«
    »Und Sie?« Der Mann wandte sich an Carya, die an die Hauswand gelehnt dastand, um ihr Bein zu entlasten.
    »Wie kommen Sie darauf, wir wären Invitros?«, wich Carya der Frage aus.
    »Na, wegen der Armbänder natürlich«, antwortete ihr Gegenüber gelinde verwirrt, womit er das Rätsel löste, mit dem Carya und Pitlit sich soeben befasst hatten. Wenn jedoch all die Armbandträger, denen sie bislang begegnet waren, Invitros waren, gab es erstaunlich viele hier im Tal.
    »Ach das!« Carya zwang sich zu einem arglosen Lächeln und tat so, als bemerke sie erst jetzt, dass sie auch so ein Armband trug. »Wir tragen die Bänder bloß zur Strafe. Wir haben uns … äh … in einer Sperrzone herumgetrieben. Es war eine Mutprobe.«
    »Ja, eine dumme Mutprobe«, stieg Pitlit auf

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