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Das Geschenk

Das Geschenk

Titel: Das Geschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Wondratschek
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Matrosenanzug, die ein rotes Herz durch die Wüste schleppt. Hatte sie je ein anderes, ein leichteres Leben gehabt? Das Herz mußte, so wie sie schuftet und schwitzt, einiges an Gewicht haben; was man auch an der Spur sah, die das Herz in den Sand gegraben hatte, eine große Schleife, die sich, kleiner und kleiner werdend, am Horizont verlor. Das Bild nun hält jenen Moment fest – und genau der war es, der das Bild so interessant machte –, als Donald im Wüstensandauf eine Spur trifft, die jener gleicht, die er selbst gezogen hat, und stutzt! Und wir, die Betrachter, tun das mit ihm. Fragen über Fragen! War Donald, und wenn, wie lange schon und wie schrecklich vergeblich, nur immer im Kreis gegangen? Gab es da noch einen, wie er dazu verdammt, mit einem Herz unterwegs zu sein, allein in einer menschenleeren Wüste? Was für ein Herz war es, das er da mit sich schleppte? Das Herz, das alle Liebe enthält? War es deshalb so schwer? Aber damit noch nicht genug. Wohin eigentlich war er damit unterwegs? Wollte er es Daisy, die manchmal keines zu haben schien, zum Geschenk machen? Brachte er es in Sicherheit, und wenn, vor wem? Schleppte er es heim ins Gelobte Land oder zurück nach Entenhausen zur Reparatur? Man sah es der Ente an, daß sie am Ende war. Was jetzt? Was tun? War alles umsonst?
    Inzwischen waren die Pfannkuchen verbrannt, was seinem Sohn gefiel: er mochte keine. Er rührte auch die Rühreier nicht an, weil sie wie Pfannkuchen aussahen. Was sah nicht aus wie Pfannkuchen, garantiert nicht? Cornflakes mit Milch!
    Sie tobten vor dem Schlafengehen noch herum miteinander, brachten sich mit Grimassen zum Lachen oder jagten sich mit Grimassen Angst und Schrecken ein. Und dann passierte es. Der Kleine hätte sich vor Schreck fast verschluckt, und Chuck daraufhin aus Angst fast auch. Das kleine Kerlchen war drauf und dran zu verenden.
    Aus Erleichterung darüber, daß sie noch lebten, jonglierte Chuck, bis seinem Sohn die Augen zufielen, mit Orangen – und stand dann auf, ging auf Zehenspitzenaus dem Zimmer, setzte sich in der Küche ans offene Fenster und zündete sich eine Zigarette an.
     
    Sein Vormieter, ein brasilianischer Dealer von Massageölen, magischen Amuletten und, eher nebenher, von Kokain, ansonsten aber ein friedfertiger Vegetarier, hatte in der Wohnung eine Hängematte zurückgelassen, das Prunkstück einer Hängematte – und die wurde zu ihrem Schiff, von dem aus sie, allein an Bord, über die Meere schipperten. Sie entdeckten Inseln und Kontinente, warfen Anker, machten sich auf, um an Land zu schwimmen, was wegen der vielen Haifische nicht ungefährlich war. Kaum wieder festen Boden unter den Füßen, zwang sie das Geschoß einer Steinschleuder, hinter dem Sofa in Deckung zu gehen und dort erst einmal kauernd auszuharren. Aber lange dauerte das Glück, sich endlich wieder zu voller Lebensgröße aufrichten zu können, nicht, denn schon hatten sie es mit einer Horde unheimlich unsichtbarer Gegner zu tun, Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier, die vergiftete Pfeile abfeuerten, der ganze Himmel war schwarz von ihren Geschossen, bis Chuck, dem auch noch, wenn er die Nacht zuvor um die Häuser gezogen war, ein Kater zu schaffen machte, irgendwann kurzerhand den letzten angreifenden Wilden erledigte und, weil er alles gegeben und sich verausgabt und vor Erschöpfung schon Sehstörungen hatte, vorschlug, sich auf ihr Schiff zurückzuziehen, um erst einmal in Ruhe zu verschnaufen.
    Okay, mein Kleiner, dachte Chuck, Schluß für heute, Schluß! Die Hängematte ist müde, ein Schiff zu sein. Und ich bin es auch. Jetzt ein Schläfchen, dachte er. MeinGott, nichts weiter als ein kleines wohlverdientes Nickerchen! Aber für den Komfort einer Minute der Stille, die Augen geschlossen, das Singen sich sanft überschlagender Wellen im Ohr, ganz den wohltuend frischen Winden einer Meeresbrise hingegeben und dem Traum, es zur Abwechslung einmal mit einem friedlichen Einheimischen zu tun zu kriegen, irgendeinem Indio, der in seiner Strohhütte damit beschäftigt war, einem erschöpften Reisenden einen Drink zu schütteln, für all das war ein Kind seines Alters natürlich nicht zu begeistern! Nur, was noch alles tun mit einem, der vor Aufregung nicht aufhörte, auf seinem Vater herumzuklettern – und mit Fäusten darum bettelte, daß dem die Ideen nicht ausgingen? Fische beobachten, fiel ihm ein. Ja! Das war, ohne sich schon wieder verausgaben zu müssen, machbar – sie mit einer Angel, einem einfachen Stück

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