Das Geschenk der Wölfe
Nideck persönlich, und er sagt, die Ähnlichkeit sei frappierend.»
«Interessant.»
«Hören Sie zu, Reuben! Ich habe den Mann bereits getroffen, heute Nachmittag, bei Arthur. Er hat mich ziemlich beeindruckt, ein richtiger Grandseigneur. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für einen dieser Plantagenbesitzer aus den Südstaaten halten. Er wurde in England geboren und erzogen, hat aber keinen britischen Akzent mehr. Ich hab die ganze Zeit versucht, seinen Akzent zuzuordnen, aber es ist mir nicht gelungen. Er hat nämlich einen, aber es scheint ein ganz individueller zu sein. Und, wie gesagt, er erhebt keinerlei Ansprüche auf Marchent Nidecks Nachlass. Das Einzige, was er will, Reuben, ist, Sie kennenzulernen. Und mit Ihnen über den Nachlass seines Vaters zu reden.»
«Und Arthur Hammermill wusste nichts von der Existenz dieses Mannes?», fragte Reuben.
«Nein. Er kann es gar nicht fassen», sagte Simon. «Sie wissen ja, wie sehr Baker und Hammermill versucht haben, den alten Felix Nideck ausfindig zu machen beziehungsweise jemanden, der mit ihm irgendwie in Verbindung stand.»
«Wie alt ist der junge Felix Nideck?»
«Vierzig, fünfundvierzig. Lassen Sie mich nachsehen … Genau, fünfundvierzig. Er wurde 1966 geboren, in London. Eigentlich sieht er jünger aus. Er besitzt eine doppelte Staatsbürgerschaft, die britische und die amerikanische. Aber er hat keinen festen Wohnsitz. Treibt sich überall in der Welt herum.»
«Fünfundvierzig, aha.»
«Das ist doch nicht so wichtig, Reuben. Wichtig ist nur, dass es kein Testament gibt, das seine Existenz belegt. Wenn er allerdings einem DNA -Test zustimmen und die Verwandtschaft bewiesen würde, könnte er Haus und Grundstück natürlich beanspruchen, um es zu veräußern, aber selbst dann wäre ungewiss, ob er dafür einen Käufer finden würde.»
«Aber die persönlichen Hinterlassenschaften seines Vaters will er haben?», fragte Reuben.
«Zum Teil, Reuben, nur zum Teil. Er wollte uns noch nicht sagen, auf welche Dinge er im Einzelnen Wert legt. Das will er mit Ihnen persönlich besprechen. Er scheint gut informiert zu sein. Er war gerade in Paris, als Marchents tragischer Tod durch die Presse ging.»
«Verstehe.»
«Natürlich hat er’s eilig. Heutzutage haben es ja alle eilig. Er wohnt im Clift Hotel und möchte Sie so bald wie möglich treffen. Er scheint schnell wieder wegzumüssen, irgendein wichtiger Termin. Ich habe ihm gesagt, ich würde mein Bestes versuchen.»
Reuben überlegte, was das bedeutete. Er wollte ihn also zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Haus weglocken, um hier eindringen und alles fortschaffen zu können, was Felix Nideck hinterlassen hatte. Reuben war sich ziemlich sicher, dass es nur einen Felix Nideck gab und dieser angebliche Nachkomme in Wahrheit der «alte» Felix war. Aber warum kam er nicht einfach her und stellte sich Reuben offen und ehrlich vor?
«Gut», sagte er. «Wir treffen uns mit ihm. Ich könnte aber erst morgen Mittag gegen eins da sein, immerhin sind es vier Stunden Fahrt von hier. Wäre das okay?»
«Bestens. Er sagt, morgen hat er den ganzen Tag Zeit. Er wird sich freuen, dass es so schnell klappt. Soviel ich weiß, muss er morgen am späten Abend abreisen.»
«Aber auf eins muss ich bestehen, Simon. Die Sache muss strikt vertraulich bleiben, Grace und Phil dürfen nichts davon erfahren. Sie kennen ja meine Mutter. Wenn ich sie nicht besuche, obwohl ich in der Stadt bin …»
«Herrgott, Reuben, Sie wissen doch, dass ich mit Ihrer Mutter nicht über Ihre Angelegenheiten spreche, außer Sie wünschen es ausdrücklich», sagte Simon ganz entrüstet.
Aber das stimmte nicht.
«Sie wissen, dass Ihre Mutter sich große Sorgen um Sie macht», fuhr Simon fort. «Ihr Umzug nach Mendocino und alles … Auch dass Sie auf E-Mails und Anrufe nicht reagieren …»
«Alles klar», sagte Reuben. «Also morgen um eins.»
«Nicht so schnell, nicht so schnell! Ich würde Sie vor dem Termin gern allein sprechen, sagen wir, eine Stunde …»
«Warum, Simon? Sie können doch jetzt mit mir sprechen.»
«Na ja, Reuben … Dass in dieser Situation ein Erbe auftaucht, der dann aber keine finanziellen Ansprüche stellt … Wie soll ich sagen? Es ist recht ungewöhnlich. Deswegen möchte ich, dass Sie mich bei diesem Treffen die Gesprächsführung übernehmen lassen und auf meinen Rat hören – besonders in Bezug auf Dinge, die wir bei diesem Treffen besser nicht sagen sollten. Vor allem rate ich Ihnen,
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