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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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keine Fragen zu beantworten, die sich auf den Wert des Hauses beziehen, auf den der Möbel und Felix Nidecks Hinterlassenschaften …»
    «Verstehe, Simon, verstehe. Ich höre mir erst mal an, was der Mann zu sagen hat.»
    «Genau. Sie hören nur zu. Keine Angaben Ihrerseits. Soll er erst mal alles downloaden, wie die Jugend heutzutage sagt. Hören Sie einfach nur zu. Er ist wild entschlossen, diese Angelegenheit mit niemandem außer Ihnen zu besprechen, aber Sie brauchen auf nichts einzugehen, was er im Laufe dieses Gesprächs sagt. Kein Kommentar, keine Zugeständnisse.»
    «Alles klar, Simon. Morgen um eins dann.»
    «Wahrscheinlich baut er auf Arthur Hammermill, den alten Charmeur. Offenbar haben die beiden schon manchen Abend miteinander verbracht. Gestern waren sie zum Beispiel in der Oper und haben sich
Don Giovanni
angesehen. Arthur sagt, er sei seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber ich versichere Ihnen, Reuben, heutzutage kommt niemand ohne DNA -Test mit so einer Behauptung durch. Keine Chance! Das muss dem Mann eigentlich klar sein. Aber vielleicht ändert er seine Meinung ja noch.»
    Wird er nicht. Er kann nicht.
    «Dann sehen wir uns morgen, Simon. Tut mir leid, dass ich nicht gleich zurückgerufen habe.»
    «Übrigens», sagte Simon. «Ihr Artikel über den Wolfsmenschen im
Observer
heute Morgen hat mir gut gefallen. Den anderen auch. Gut gemacht, mein Junge. Auch Mr. Nideck hat er gefallen.»
    Ach, wirklich? Reuben verabschiedete sich noch einmal und legte auf. Wie aufregend! Es war Felix. Felix war aufgetaucht! Er war hier.
    Laura saß vorm Feuer auf dem Teppich und las in einem Buch mit Werwolfgeschichten. Nebenher machte sie sich in einem Heft Notizen.
    Reuben setzte sich im Schneidersitz zu ihr und erzählte ihr alles.
    «Es kann niemand anders als Felix sein.» Er sah zu dem Foto der vornehmen Gentlemen über dem Kamin auf, und seine Erregung steigerte sich ins Unerträgliche. Felix lebte! Felix, der Schlüssel zu dem Mysterium, das ihn wie undurchdringlicher Rauch zu ersticken drohte. Felix, der ihn möglicherweise beseitigen wollte – und Laura dazu.
    «Bestimmt hast du recht», sagte Laura. «Hör dir das hier mal an!» Sie nahm ihr Notizbuch zur Hand. «Die Namen der vornehmen Gentlemen.» Das war ihre Bezeichnung für die Männer auf dem Foto geworden. «Vandover, Wagner, Gorlagon und Thibault. Jeder Einzelne stammt aus einer alten Werwolfgeschichte.»
    Reuben war sprachlos.
    «Fangen wir mit Frank Vandover an. Es gibt einen berühmten Werwolf in einem Roman von Frank Norris. Der Titel ist
Vandover und der Unmensch
, er wurde 1914 veröffentlicht.»
    Dann stimmte es also! Reuben war so überwältigt, dass er nichts sagen konnte.
    Laura fuhr fort: «Der Nächste ist Robert Wagner. Es gibt eine ziemlich bekannte Geschichte von G. W. M. Reynolds,
Wagner, der Wehr-Wolf
, erschienen 1846 .»
    «Mach weiter!»
    «Gorlagon ist der Name eines Werwolfs in einer mittelalterlichen Erzählung von Marie de France.»
    «Stimmt. Die Geschichte habe ich vor Jahren gelesen.»
    «Baron Thibault – das ist eine Kombination von Namen aus Dumas’ berühmter Geschichte
Der Werwolf
, die 1857 in Frankreich veröffentlicht wurde.»
    «Ja, natürlich», murmelte Reuben, stand auf und betrachtete die Männer vor der Dschungelkulisse noch einmal eingehend. Laura stand auf und stellte sich neben ihn.
    Baron Thibault war der Einzige mit grauen Haaren. Auch sein Gesicht wirkte älter als das der anderen, aber genau wie sie war er ein überaus ansehnlicher Mann. Er hatte auffallend große helle Augen, mit denen er gütig dreinblickte. Reynolds Wagner hatte offenbar rote Haare, aber genau war es nicht zu erkennen. Er schien im selben Alter zu sein wie Felix und Margon, war schlank und hatte feine, elegante Züge und kleine Hände. Frank Vandover schien der Jüngste zu sein. Sein Haar war schwarz und lockig, seine Augen dunkel, seine Haut blass. Auffallend war der kühne Schwung seiner Lippen.
    Irgendetwas in ihren Gesichtern erinnerte Reuben an ein berühmtes Gemälde, aber ihm fiel nicht ein, welches es war.
    «Ach, und Tom Marrok», sagte Laura. «So heißt ein Werwolf in Thomas Malorys Artussage, die um 1400 entstanden ist. Wahrscheinlich hast du die auch gelesen.»
    «Ja, klar.» Reuben konnte den Blick nicht von den Gesichtern auf dem Foto abwenden.
    «Der Inhalt der Geschichten ist nicht so wichtig», sagte Laura. «Auch die Erscheinungszeit nicht. Entscheidend ist, dass alle Namen aus der

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