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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ruhiger werden. Und Felix würde endlich kommen.
    Laura übernahm die Gestaltung des Wintergartens und verwandelte ihn in ein kleines Paradies mit üppigen Ficus-, Orangen- und Zitronenbäumen sowie blühenden Sträuchern wie Geißblatt, Jasmin und Prachtwinden, die an stilvollen Rankhilfen emporstrebten. Es gab Rosenbäumchen in Kübeln mit wunderschönen Blüten, und auch die Orchideenbäume hatten sich von ihrer weiten Reise erholt und trieben spektakuläre Blüten. In etlichen Nischen und Ecken hatte Laura Lampen aufgehängt, die den Pflanzen das nötige UV -Licht spendeten, das sie an der Nordseite des Hauses sonst nicht bekommen hätten. Der hübsche viktorianische Holzofen, der sich angefunden hatte, vertrieb die Klammheit aus dem Raum und erzeugte die Art von Wärme, die den Pflanzen guttat – genau wie Laura und Reuben, die sich angewöhnt hatten, ihr Abendessen an dem weißen Marmortisch vor dem Springbrunnen einzunehmen.
    Mitte der Woche entdeckte Reuben einen kleinen Laden in Petaluma, der Secondhand-Computer verkaufte und nicht videoüberwacht war. Getarnt mit Kapuzenshirt und Sonnenbrille, kaufte er dort zwei Apple-Laptops und zahlte in bar, obwohl er zunächst selbst nicht genau wusste, warum.
    Es ärgerte ihn, dass Felix wortlos abgereist war, und er machte sich furchtbare Sorgen um Stuart. Seine Sehnsucht nach Hilferufen aus den großen Städten im Süden wurde immer größer.
    Aus all diesen Gründen eröffnete er einen E-Mail-Account unter dem Namen Vera Lupus, den er nur mit einem dieser neuen Laptops aufrief, und schrieb im Namen des Wolfsmenschen einen langen Brief an den
San Francisco Observer
.
    Mit diesem Brief verschaffte er sich hemmungslos Luft, aber im Grunde handelte es sich um einen wütenden Appell an Felix Nideck, endlich zurückzukehren und ihm zu helfen.
    Um seine Spuren zu verwischen, brauchte er bloß in irgendeine Stadt zu fahren, außerhalb des Blickfelds von Überwachungskameras in der Nähe eines Hotels zu parken und die E-Mail über eins seiner WLAN -Netze zu verschicken. So war es nicht möglich, ihn als Absender zu ermitteln.
    Trotzdem schickte er die E-Mail nicht ab. Sie war so anklagend, so hilflos und voller Selbstmitleid und Wut, dass es ihm peinlich war. Welches Recht hatte er, darüber zu jammern, dass er «keinen weisen Mann» an seiner Seite hatte, der ihm half, «das Geheimnis der Wölfe» zu bewahren und «klug mit ihrem Geschenk» umzugehen? Es war einzig und allein seine Schuld, dass Stuart in Gefahr war. Unmöglich konnte er es Felix zur Last legen. Er war hin- und hergerissen. Am liebsten hätte er Felix um Absolution und Verständnis gebeten und ihn im nächsten Moment angegriffen.
    Fürs Erste hielt er den Brief des Wolfsmenschen also zurück, versteckte den Laptop in einem alten Schrankkoffer im Keller und wartete ab.
    In seinen düstersten Momenten dachte er, er würde sich umbringen, falls Stuart sterben sollte. Doch Laura erinnerte ihn daran, dass er sie nicht allein lassen dürfe, genauso wenig wie er Verrat an sich selbst und an dem großen Mysterium der Wolfsmenschen üben dürfe. Wenn er etwas so Schreckliches tun wolle, sagte sie, könne er sich genauso gut Grace und den Behörden ausliefern. Als Reuben darüber nachdachte, was das für Felix bedeuten könnte, kam er wieder zur Vernunft.
    «Warte auf ihn», sagte Laura. «Und immer, wenn du dich besonders niedergeschlagen fühlst, musst du dir sagen: Solange Felix sich nicht gemeldet hat, werde ich nichts unternehmen. Versprichst du mir das?»
    Manchmal rief Jim an, aber Reuben brachte es nicht übers Herz, ihm von Stuart zu erzählen, und hielt die Gespräche so kurz wie möglich.
    Auch Laura hatte mit inneren Dämonen zu kämpfen. Jeden Morgen kletterte sie den gefährlich steilen Klippenweg hinunter und ging stundenlang am Strand spazieren. Sie ging auch stundenlang im Wald spazieren und versuchte, ihre Ängste in den Griff zu bekommen. Einmal sah sie vom Strand aus jemanden auf den Klippen stehen, aber bei dem gegenwärtigen Besucherstrom war das nicht weiter verwunderlich.
    Reuben war immer unruhig, wenn sie fortging, und horchte mit seinem Wolfsgehör auf die Geräusche, die sie umgaben.
    Mehr als einmal fragte er sich, ob da draußen nicht noch ein anderes Morphenkind hauste, von dem Felix nichts wusste, aber er fand keinen Hinweis darauf. Außerdem glaubte er, dass Felix ihn gewarnt hätte, wenn es so ein Wesen gäbe. Andererseits idealisierte er Felix vielleicht.
    Laura brachte von ihren

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