Das Geschenk der Wölfe
Walds witterte er einen Elch, der ihm Appetit machte, aber auch auf dieses stolze Tier verzichtete er. Stattdessen träumte er von Wiesen voller Schafe, die er mit Gebrüll vor sich hertrieb, bis er das fetteste ausgemacht hatte, ihm die Reißzähne in den Hals schlagen und es ausweiden konnte, solange es warm war und atmete.
Wichtig war ihm, auf seinem eigenen Grundstück ungesehen und unbemerkt zu bleiben. Außerdem wollte er sich nicht zu weit von Laura entfernen, die zu Hause im Bett lag und schlief, bis er sie bei seiner Rückkehr mit Wolfspfoten und Wolfsküssen weckte.
Aber reichten ihm diese nächtlichen Streifzüge durch sein eigenes Territorium? Nein. Sie waren nur ein schaler Ersatz für die lärmenden Großstadtnächte im Süden. Vor allem die Stimmen vermisste er.
Garten voller Schmerz, ich brauche dich.
Was waren schon die friedlichen Geräusche der Waldtiere gegen die Schreie der gequälten Seelen? Wie lange konnte er darauf noch verzichten?
Auf gewisse Weise hatte er es tagsüber einfacher, auch wenn die Reporter nicht aufhörten, ihm lästige Fragen zu stellen.
Er las alles über Werwölfe, was er in die Hände bekam – Bücher, «Berichte» über Sichtungen mystischer Kreaturen aus aller Welt, vom Yeti im Tibet bis zum Bigfoot in Kalifornien. Und er suchte nach Hinweisen auf die vornehmen Gentlemen auf dem Foto über dem Kamin, konnte aber nichts finden.
Während er das Haus immer besser kennenlernte, wurde er den Gedanken nicht los, dass er es Felix in absehbarer Zeit zurückgeben müsste. Noch aber war es seins, und er wusste, dass er es immer lieben würde. Manchmal suchten Laura und er nach weiteren verborgenen Räumen und Türen.
Oft kamen die Einwohner von Nideck am Haus vorbei. Von Nina, dem Mädchen, das Reuben an seinem ersten Abend mit Marchent hier kennengelernt hatte, wusste er, dass sie oft durch den Wald hinterm Haus wanderte. Aber es schien noch mehr Dorfbewohner zu geben, auf die das zutraf. Galton wollte es ihnen verbieten, aber mit Tränen in den Augen erklärte ihm Nina, wie viel es den Leuten bedeutete, sich frei im Wald zu bewegen.
Eines Tages lud Laura die Spaziergänger zum Tee ein, und ein Kompromiss wurde geschlossen. Tagsüber sollten die Waldwege allen zur Verfügung stehen, aber nachts sollte sich dort niemand aufhalten. Damit war auch Reuben einverstanden.
Später sagte Laura, sie könne die Sehnsucht der Leute nach diesem Wald sehr gut verstehen und manchmal wünsche sie sogar, dass mehr so dächten und sich nahe dem Haus aufhielten, denn sie fühle sich oft sehr einsam.
«Angst habe ich nicht», sagte sie. «Aber ich könnte schwören, dass gestern jemand in den Bäumen war und uns beobachtete.»
«Es wird einer dieser Spaziergänger gewesen sein», sagte Reuben leichthin.
Laura schüttelte den Kopf. «Den Eindruck hatte ich nicht. Aber wahrscheinlich hast du recht, und ich habe mich nur noch nicht genug an die neue Umgebung gewöhnt. Natürlich ist es hier genauso sicher wie in Mill Valley.»
Sie einigten sich darauf, dass der heimliche Beobachter wahrscheinlich ein Reporter gewesen war.
Reuben wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte, und vertraute darauf, dass er es hören und riechen würde, wenn sich ihr jemand mit bösen Absichten näherte. Um ganz sicherzugehen, beschloss er, sie nicht mehr allein zu lassen, außer es war unvermeidbar.
Er ließ nicht locker, bis er von der Kreisverwaltung die Genehmigung bekam, ein Tor vor die Privatstraße zu seinem Grundstück setzen zu lassen. Er wollte dem Strom von Reportern Einhalt gebieten, die in Scharen kamen, um den Schauplatz zu besichtigen, an dem der Wolfsmensch zum ersten Mal zugeschlagen hatte, seit der Überfall auf Stuart das Interesse von Lesern, Zuhörern und Zuschauern neu entfacht hatte. Als das Tor installiert war, konnten Reporter und Kameraleute zwar immer noch zu Fuß aufs Grundstück gelangen, aber seit sie nicht mehr direkt vor die Haustür fahren konnten, besserte sich die Situation.
Galton sagte ganz gelassen, das öffentliche Interesse an dieser Geschichte würde von ganz allein wieder abklingen, genau wie früher, und Reuben solle sich keine Sorgen machen. Er hatte Handwerker angeheuert, die die Schlafzimmer im vorderen Teil des Hauses renovierten, elektrische Leitungen verlegten, Wände strichen und neue Geräte installierten.
So ist das also, wenn man ein altes Haus bewohnt, dachte Reuben und wusste, dass es noch eine Weile so bleiben würde. Aber irgendwann würde es wieder
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