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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Tode gedacht werden konnte. Aber auch dafür war noch Zeit. Amunhotep wollte eine an Bildung und Wissen interessierte Frau, und dieser war er bisher nicht begegnet.
    Als Ramses und er noch zusammen die Palastschule besucht hatten, Amunhotep war damals zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen, hatte ihm der Prinz den Vorschlag unterbreitet, er solle sich ein hübsches junges Mädchen suchen, und der Prinz würde zum Mächtigen Horus gehen und ihn bitten, ihr für die nächsten zwei oder drei Jahre die besten Lehrer zur Verfügung zu stellen. Anschließend sollte sie sich mit Amunhotep vermählen und würde ihn niemals langweilen.
    Der Priester musste schmunzeln, wenn er daran zurückdachte.
    Der Pharao hatte schallend gelacht, als ihm sein Sohn von seinem Einfall erzählte, und Amunhotep war feuerrot geworden und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken.
    Amunhotep schmunzelte noch immer verstohlen in sich hinein, packte die Rollen vorsichtig in die ledernen Schutzhüllen und legte sie wieder zurück in die Truhen. Dann begab er sich zum Ausgang des Lebenshauses und strebte der kleinen Pforte zu, die zum Vorhof des Tempels führte.
    Was wollte ihm Ipuwer nur zeigen? Er hatte sehr geheimnisvoll getan und damit Amunhoteps Neugierde geweckt, aber auch seine Vorsicht. Amunhotep traute Ipuwer nicht; dennoch interessierte es ihn, was dieser für außergewöhnliche Dinge am nächtlichen Himmel erblickt haben wollte. Gab es etwa noch eine weitere Überraschung wie jene mit seiner Dienerin?
    Bei diesen Überlegungen fiel Amunhoteps Blick auf die riesige Statue, aus der sich die Gestalt des Osiris gelöst haben sollte, um Satra ihren Schwur abzuverlangen.
    »Danke, Großer Gott Osiris«, murmelte er und verneigte sich ehrfürchtig vor dem steinernen Standbild. »Wurde sie tatsächlich von dir geschickt?«
    Amunhotep war stehen geblieben, kniete nieder und berührte mit der Stirn den Boden des Hofes.
    »Bitte, Großer Gott, gib mir ein Zeichen«, bat er, doch nichts geschah.
    Er wisperte ein Gebet an Osiris und erhob sich wieder, als mit einem Mal die Statue zu leuchten begann.
    Erstaunt riss Amunhotep die Augen auf und fiel erneut auf die Knie. Er streckte die Arme vor und senkte demütig den Kopf hinab, bis er den Stein des Tempelhofes an seiner Stirn fühlte.
    »Warum zweifelst du an meiner Gabe? Ist es, weil sie ein sterbliches Wesen ist, das sich weigert, an meine Existenz zu glauben?«
    »Ja, Großer Gott«, antwortete Amunhotep, und seine Stimme zitterte leicht. »Bitte vergib mir meine Zweifel.«
    »Natürlich vergebe ich dir, mein Priester. Dafür bist du ein Mensch. Menschliche Wesen werden ständig von Nöten, Ängsten und Zweifeln geplagt. Ich will dir vergeben und dir zudem deine Fragen beantworten.
    Die göttliche Zeitspanne von 1460 Jahren ist vergangen, seit das letzte Mal ein von den Göttern gesandtes Wesen dem Sohn der Sonne geholfen hat, ein Werk zu vollbringen, welches der Große Gott Re befohlen hatte. Dieses Mal wurde eine gewöhnliche Sterbliche auserwählt, eine Frau, die für ein Verbrechen, das sie nie begehen wollte, vor Gericht gestanden hat und mit dem Tod bestraft werden sollte. Sie wurde durch mich erwählt und dem Pharao zum Geschenk gemacht. Ich selbst werde über ihr Tun und Handeln wachen, sie wird mir hörig sein. Ihr könnt ihr voll und ganz vertrauen, denn sie wird immer die Wahrheit sprechen und nichts tun, was dem Pharao oder dir Schaden zufügen würde. Sie ist bis in alle Ewigkeit an mich, den Großen Gott Osiris, den Pharao und dich durch ihren Schwur gebunden, und sie wird den Wunsch des Großen Gottes Re erfüllen.«
    »Der Wunsch des Re ist uns Befehl, o Großer Gott Osiris. Wie lautet er?«, erkundigte sich Amunhotep demutsvoll. Er lag noch immer auf den Knien vor der Statue und wagte nicht, den Blick zu heben.
    »Das werdet ihr Sterblichen selbst erkennen, wenn die Zeit gekommen ist.«
    »Und ...« Amunhoteps Stimme zitterte noch immer leicht. Verlegen räusperte er sich, um ihr Festigkeit zu geben. »Und wenn wir uns täuschen und den Wunsch des Re nicht erkennen?«
    Ein mildes Lächeln umschmeichelte den Mund des Gottes. »Schon wieder Zweifel? – Prüft die von mir erwählte Frau, sie ist etwas Besonderes. Wenn die Zeit reif ist, werdet ihr wissen, was ihr tun müsst.«
    »Ja, ich werde gehorchen und dir, Großer Gott Osiris, und meinem König für alle Zeiten treu und ergeben dienen.«
    »Etwas anderes habe ich auch nicht von dir erwartet. Treue, Gehorsam und Dienen –

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