Das Geschenk des Osiris
verborgen gehalten hatte und sich ihm von hinten lautlos näherte.
Er war mit einer hölzernen Keule bewaffnet, die er mit beiden Händen fest umschlossen hielt. Er hob sie zum Schlag und ließ sie auf den Kopf des Oberpriesters niedersausen.
Amunhotep, der plötzlich die Anwesenheit eines Menschen hinter sich gewahrte, drehte noch kurz den Kopf zur Seite, nahm einen Schatten wahr und wich aus. Es war zu spät. Die Waffe traf ihn, allerdings nicht mit ihrer vollen Wucht. Ein dumpfer Laut entrang sich seiner Kehle, und es wurde ihm schwarz vor Augen. Dann sackte er zu Boden.
Dedi hingegen warf den Prügel achtlos neben sein Opfer und eilte leise in Richtung der Unterkünfte der niederen Priesterschaft. Bis auf die Leibeigene war niemand in der Nähe. Dedi konnte sicher sein, unerkannt verschwinden zu können.
* * *
Satra glaubte mit einem Mal, etwas gehört zu haben, und sah sich um, konnte aber nichts erkennen. Es hatte sich angehört, als ob etwas Schweres zu Boden gegangen sei, und dann war ihr, als hätte sie leise Schritte gehört, die sich schnell entfernten.
Unschlüssig stand sie auf und starrte in die Dunkelheit.
Da!
Sie nahm eine Gestalt wahr, die in Richtung der Priesterzellen lief. Es schien ein Mann zu sein, denn er war nur mit einem Schurz bekleidet, der hell durch die Dunkelheit schimmerte, und er war von mittelgroßer Statur, aber das waren die meisten hier. Satra überragte beinahe alle Männer im Tempel, außer einigen Wachleuten und ein paar Kriegsgefangenen, die nicht aus Kemi stammten. Auch Amunhotep war fast eine Handbreite größer als sie.
Sie eilte in die Richtung, in die der Mann verschwunden war. Dabei bemerkte sie einen dunklen Körper, der vor ihr auf dem Weg lag. Schnurstraks lief sie auf ihn zu und blieb wie angewurzelt stehen. Der Mann lag zwar mit dem Rücken zu ihr auf der Seite, aber sie erkannte sofort, dass es Amunhotep war.
Entsetzt riss Satra die Augen auf und presste sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuschreien. Sie stürzte auf ihn zu, hockte sich neben ihn und sah mit Schrecken die große Wunde an seinem Kopf, aus der Blut herausquoll. Dann erst registrierte sie die Keule und griff nach ihr, um sie sich anzusehen.
Der Keulenkopf war blutverschmiert.
Wer hatte das getan und vor allem, warum?
Satras Gedanken überschlugen sich, doch als Erstes musste sie jemanden zu Hilfe holen.
Als sie loslaufen wollte, um Hekaib und die Soldaten ihres Herrn zu alarmieren, bemerkte sie die zwei Soldaten, die normalerweise den Zugang zum Tempelhof bewachten. Sie kamen auf sie zu, hielten ihre dicken Knüppel in den Fäusten und fuchtelten damit wild umher.
Satra blieb stehen und sah den Männern entgegen, hatte noch immer die hölzerne, blutverschmierte Waffe in der rechten Hand.
»Gut dass ihr ...«
Weiter kam sie nicht.
Die beiden Wächter, die bereits gesehen hatten, was geschehen war, fielen sofort über sie her, entrissen ihr die Keule, und einer der beiden schlug ihr seinen Knüppel über den Kopf, worauf sie bewusstlos zu Boden ging.
Hinter den beiden Wachposten erschien Ipuwer und blieb wie angewurzelt stehen, als er den leblosen Körper des Oberpriesters auf dem Weg liegen sah.
»Los, hole sofort Hilfe!«, herrschte er einen der beiden Männer an. »Und schicke einen Diener zu Paheri. Er muss schleunigst hier erscheinen.«
Ipuwer ging neben dem Verletzten in die Knie. Zu seiner Bestürzung musste er feststellen, dass Amunhoteps Atem zwar flach war, aber er war nicht tot.
Noch nicht!, dachte der Schatzmeister, nachdem er sich den Hinterkopf des Oberpriesters betrachtet hatte. Soweit er in dem spärlichen Licht erkennen konnte, war Amunhoteps linke Schädeldecke zersplittert. Mit Paheris Hilfe würde er es nicht überleben.
Ipuwer stand wieder auf und sah verächtlich auf die Leibeigene hinab, die bewusstlos am Boden lag. Und ihr würde man die ganze Schuld daran geben.
»Bringe die hier fort!«, befahl er dem zurückgebliebenen Wächter. »Sperre sie in eine Zelle und lasse sie bewachen. Nehi weilt seit ein paar Tagen in Theben. Ich werde dafür sorgen, dass sie schon morgen früh mit einem Boot dorthin gebracht und dem Wesir übergeben wird. Für diese abscheuliche Tat triff sie die Todesstrafe.«
Der Soldat verneigte sich, packte die Frau am rechten Arm und zog sie achtlos hinter sich her zu den Unterkünften der Wachmannschaft, wo es ein paar leer stehende Zellen gab, die bei Bedarf als Gefängniszellen genutzt wurden.
Es dauerte nicht
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