Das Geschenk des Osiris
Gesicht. »Trotzdem hast du ziemlich unvernünftig gehandelt, als du einfach mit einem Bettler in eine der gefährlichsten Gegenden von Theben gegangen bist, ohne zu wissen, wohin und zu wem er dich führen wird. Dennoch, du hast bei der Klärung eines Verbrechens mitgeholfen, und das wird Seine Majestät sehr freuen.«
Nebnefers Augen begannen zu leuchten.
»Danke, Tjati, es war mir eine unermessliche Ehre, dass ich, ein Sterblicher, dem gottgleichen Pharao behilflich sein durfte.«
Er war aufgestanden, hatte seine rechte Hand auf die Brust gedrückt, um sich ehrfürchtig vor dem Wesir zu verneigen.
»Gehe jetzt nach Hause und bewahre Stillschweigen über alles!«, ermahnte ihn Nehi lächelnd, erhob sich und begab sich zusammen mit Thotmose in den Bereich des Gefängnisses, wo die Verhöre durchgeführt wurden.
* * *
Der festgenommene Mann hatte anfangs beharrlich geschwiegen, aber nach einer kräftigen Tracht Prügel war er nun bereit, auf alle Fragen umfassend zu antworten. Zitternd vor Angst und Schmerz lag er auf den Knien vor dem Oberst der Medjai und erzählte ohne Umschweife alles, was er wusste. Als die beiden hohen Würdenträger zur Tür hereinkamen und sich auf die freien Stühle setzten, wagte er kaum, den Kopf zu heben.
»Weißt du, wer ich bin?«, fragte Nehi, und der Festgenommene nickte stumm. »Sehr gut. Dann wirst du mir hoffentlich alle meine Fragen beantworten. Und wage es nicht, mich anzulügen!«
Dem Mann schlotterten die Glieder, und seine Stimme zitterte so stark, dass man ihn kaum verstehen konnte, als er beteuerte: »Ja, Tjati, ich werde dir alles sagen, was du wissen willst.«
Nehi waren nicht die Striemen auf dem Rücken des Mannes entgangen. Es war sicherlich eine etwas raue Methode, jemanden zum Reden zu bringen, aber manchmal die einzige Möglichkeit, etwas aus den Gefangenen herauszubekommen.
»Woher hast du das Gift?«
»Aus einem Versteck in den thebanischen Bergen, Tjati.«
»Und wie kommt es dort hin?«
»Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich schwöre, dass ich es nicht weiß. Ich bekomme stets eine Nachricht, wenn ich wieder etwas ausliefern soll.«
»Wie wirst du benachrichtigt?«
»Durch einen Boten. Er kommt zu mir nach Hause und bringt mir eine Nachricht. Darin steht, wann ich das Gift abholen soll und wo die Übergabe stattfinden wird.«
»Beschreibe mir den Boten!«
Der Festgenommene zuckte mit den Schultern. »Es ist jedes Mal ein anderer. Meist sind es Knaben, die sich damit etwas dazuverdienen. Ich glaube kaum, dass einer von denen zu meinem Auftraggeber gehört.«
»Das lass mal unsere Sache sein!«, mischte sich der Medjai-Hauptmann in das Verhör ein und erntete einen missbilligenden Blick des Wesirs dafür.
»Wie gelangt die Bezahlung des Gifts an deinen Auftraggeber?«, fuhr Nehi mit der Befragung fort.
»Wenn ich die Ware ausgeliefert habe, begebe ich mich in mein Haus und teile die Beute in zwei gleiche Hälften, nachdem ich mir meinen wahrlich geringfügigen Anteil genommen habe. Anschließend bringe ich den einen Teil zurück in die thebanischen Berge, während ich den anderen in einem verfallenen Haus verstecke.«
»Das Haus, denke ich, ist mir bekannt, aber wo genau ist dieses Versteck in den Bergen?«
Der Gefangene wollte antworten, aber der Oberst der Ordnungshüter kam ihm zuvor.
»Verzeih, Tjati, dass ich mich einmische. Ich weiß schon über alles Bescheid und habe sofort einen kleinen Trupp sowohl zu dem Haus als auch in die Berge geschickt, um die Verbrecher festzunehmen.«
Lobheischend sah er zu Nehi, der nur kurz die Augen verdrehte und wünschte, er hätte den Boten nicht beauftragt, den Obersten Medjai-Hauptmann zu solch später Stunde ins Gefängnis zu beordern.
Dieser Mann war unfähig. Würden die Medjai niemanden festnehmen, waren alle Chancen verspielt, an die Hintermänner heranzukommen. Nehi war sich ziemlich sicher, dass sie aus einem sicheren Versteck heraus beobachten würden, wie der Bote mit der Bezahlung kommt, bevor sie sich dorthin begaben, um sie an sich zu nehmen. Sollten sie nun die Ordnungshüter erblicken, wäre ihnen sofort klar, dass etwas schiefgelaufen war.
»Ich hoffe, Herr, ich habe damit in deinem Sinne gehandelt?«, wagte der Beamte zu fragen, dem Nehis Unmut nicht entgangen war. Er fürchtete, einen folgenschweren Fehler begangen zu haben, der ihm das Ende seiner Laufbahn bescheren konnte.
»Darüber sprechen wir später«, entgegnete Nehi kühl und wandte sich wieder dem Gefangenen
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