Das Geschenk des Osiris
zu, der auf den Knien vor ihm lag und ängstlich zu dem Wachhabenden in der Ecke des Raumes äugte, der rhythmisch mit seinem Stock auf den ledernen Schienbeinschutz seines rechten Beins klopfte.
»Du hast also niemals deinen Auftraggeber oder jemanden von seinen Gehilfen zu Gesicht bekommen?«
»Niemals, Erhabener.«
»Aber es muss doch jemand an dich herangetreten sein und dich gefragt haben, ob du bei solchen Geschäften mitmachen willst?«
»Ja, das stimmt. Das ist jetzt ungefähr zwei Jahre her. Da kam eines Tages ein Junge bei mir vorbei und gab mir eine Nachricht, dass mich jemand in jenem Haus sprechen wolle. Zuerst war ich nicht geneigt, dort zu erscheinen, aber einen Tag später erschien ein weiterer Bote und gab mir ein kleines Päckchen, in dem sich ein goldenes Amulett des Großen Gottes Amun befand. Mir fielen beinah die Augen aus dem Kopf, als ich es sah. Es war das Wertvollste, was ich je in meinen Händen gehalten habe.« Er seufzte verzagt. »Ich bin zwar zum Schreiber ausgebildet worden und habe zusammen mit anderen die Viehzählungen durchgeführt. Aufgrund meiner ... meiner ... der Überempfindlichkeit meiner hellen Haut gegenüber Res heißen Strahlen musste ich allerdings meine Tätigkeit aufgeben. Später wurde meine Frau krank, und ich kümmerte mich um sie und ...«
»Es genügt!«, unterbrach der Wesir unwirsch den Redeschwall des Mannes. »Ich glaube, ein einziges Wort bringt deine Nöte auf den Punkt: Faulheit.« Beschämt blickte der Gefangene zu Boden. »Beantworte mir meine Frage! Wen hast du im Haus getroffen?«
»Das weiß ich nicht, Tjati. Es war ziemlich dunkel. Zudem trug der Mann eine Falkenmaske auf dem Kopf. Er sah zwar aus wie ein Bettler, aber ich glaube, dass er mir das nur vorgespielt hat.«
Jetzt war es an Nehi zu seufzen.
»Und du hast niemals versucht herauszubekommen, wer dein oder deine Auftraggeber sind?«
Der Gefangene verneinte entsetzt.
»Ich hatte Angst, dass man mich töten würde, wenn ich ihre Gesichter kenne. Also habe ich mich damit begnügt, meine Anweisungen anonym zu erhalten und für meine Dienste entlohnt zu werden.«
»Wie oft hast du in den zwei Jahren einen Auftrag erhalten?«
Der Mann überlegte kurz.
»Genau kann ich es nicht sagen. Es müssen so um die acht bis zehn gewesen sein.«
»
Acht bis zehn?
«
Die Anwesenden warfen sich entsetzte Blicke zu.
»Ja, Tjati, mehr auf keinen Fall«, bestätigte der Mann ziemlich kleinlaut.
»Ich denke, dass das auch reicht. Immerhin sind durch deine Mithilfe acht bis zehn Menschen getötet worden, wenn nicht sogar noch mehr.«
Der Gefangene schluckte geräuschvoll und begann erneut am ganzen Leib zu zittern.
»Ich schäme mich dafür, Erhabener, und ich bereue, was ich getan habe.«
Betroffen sah er zu Boden, doch niemand glaubte ihm.
»Sind dir wenigstens die Namen derjenigen bekannt, denen du das Gift geliefert hast?«
»Nein, alles lief unter größter Verschwiegenheit und Anonymität ab – eine Grundvoraussetzung für ein solches Geschäft.«
Der Wesir hatte vorerst genug gehört und gab dem in der Ecke wartenden Medjai ein Zeichen, den Gefangenen wegzubringen. Zudem erteilte er dem Gerichtsschreiber den Befehl, ebenfalls den Raum zu verlassen.
Nachdem sich die Tür hinter den drei Männern geschlossen hatte, richtete er das Wort an den Obersten der Medjai.
»Ist dir eigentlich bewusst, dass du mit deinem unüberlegten, vorschnellen Handeln uns wahrscheinlich die einzige Möglichkeit genommen hast, an die Hintermänner heranzukommen?«
Verlegen rutschte der Getadelte auf seinem Stuhl hin und her.
»Aber ich dachte mir, dass ich in deinem Sinne handeln würde, wenn ich umgehend ein paar Männer losschicke, bevor diese Verbrecher uns entwischen.«
»Wieso sollten sie uns denn entwischen?«, brüllte Nehi. »Der Gefangene hatte doch noch gar nicht die Edelsteine abgeliefert!« Wütend schlug er mit der Faust auf die Lehne seines Stuhls. »Wenn jetzt die Medjai auftauchen, werden diese Männer gewarnt sein und verschwinden, und wir fassen sie niemals.«
Nehi war aufgesprungen und lief aufgebracht durch den Raum, während der Medjai-Hauptmann betroffen vor sich auf den Boden starrte und kein Wort sagte. Plötzlich blieb Nehi vor ihm stehen.
»Wenn durch dich das gesamte Unternehmen gescheitert ist, kann ich nur für dich hoffen, dass Seine Majestät bei guter Laune ist, wenn er davon erfährt.«
Der Oberst zuckte merklich zusammen und rang nach Luft.
»Aber ...
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