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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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aber ...«
    »Sei still! Durch deine Unfähigkeit hast du die Aufklärung eines schweren Verbrechens behindert, an deren Erfolg Ramses sehr viel gelegen ist.«
    Wutentbrannt drehte sich Nehi um und stapfte hinaus auf den Flur. Thotmose folgte ihm, wohingegen der Hauptmann wie versteinert auf seinem Stuhl verharrte und unfähig war, sich zu rühren.
    Auf dem Gang warteten bereits zwei Medjai, die dem Wesir Meldung machen wollten, sich aber nicht getraut hatten, den Raum zu betreten, aus der die zornige Stimme des mächtigsten Manns nach dem Pharao zu hören war.
    »Was bringt ihr für Nachrichten?«, wollte Nehi wissen, und untertänig verneigten sich die Nubier vor ihm und dem Obersten Richter.
    »Wir waren mit Nebnefer in dem Bierhaus, aber der Bettler war nicht da. Es ist uns aber gelungen, einen der Verbrecher festzunehmen, Tjati. Er kam zu dem verlassenen Haus, das meine Männer seit Tagen überwachen, und wollte etwas abholen, was dort aber nicht war. Wir haben ihn gefangen genommen und ins Gefängnis gebracht.«
    Nehi und Thotmose warfen sich einen überraschten Blick zu.
    »Na, dann wollen wir mal sehen, was er uns zu sagen hat«, meinte der Wesir zuversichtlich. »Bring ihn hier in diesen Raum!«
    »Es gibt da leider ein kleines Problem, Erhabener«, wagte der Medjai anzumerken. »Der Mann ist stumm. Man hat ihm die Zunge herausgeschnitten.«
    Gequält stöhnte Nehi auf.
    »Egal, versucht trotzdem, etwas von ihm zu erfahren. Vielleicht kann er schreiben.«
    Mit einer Handbewegung gab er den beiden Ordnungshütern zu verstehen, dass sie entlassen waren.
    »Für uns gibt es heute Nacht hier nichts mehr zu tun«, wandte er sich Thotmose zu. »Wenn wir Glück haben, nimmt die andere Streife den zweiten Mann fest, aber ehrlich gestanden, glaube ich nicht daran.«
    Die Befürchtungen des Wesirs sollten sich leider bewahrheiten. Alle Versuche, dem Stummen ein paar Informationen zu entlocken, blieben erfolglos, denn entweder war er des Schreibens nicht mächtig oder er wollte seine Kumpane nicht verraten. Er tat völlig unbeteiligt und ließ sich auch durch gutes Zureden oder durch Züchtigung nicht dazu bewegen, seine Auftraggeber preiszugeben. Er wurde Nebnefer vorgeführt, und dieser bestätigte, dass es sich bei dem Festgenommenen um den Bettler aus dem Bierhaus handelte.
     
    * * *
     
    Am frühen Vormittag erschien Nachtanch in der Amtsstube des Gefängnisvorstehers. Er hatte sich am Abend zuvor auf das Westufer von Theben begeben, um in den Bergen nach dem Versteck und dem Mann zu suchen, der mit dem Gifthandel zu tun hatte. Aufmerksam hörte der Beamte ihm zu und ging mit ihm sofort zum Obersten Medjai-Hauptmann von Theben.
    Dieser saß völlig zerknirscht in seinem Arbeitszimmer und konnte sich nicht auf die vor ihm liegenden Schriftrollen konzentrieren. Es ging ihm noch immer der Vorfall der vergangenen Nacht durch den Sinn. Er hatte in der festen Überzeugung gehandelt, das Richtige zu tun, und war von Nehi so hart getadelt worden, dass er nun befürchten musste, sein Amt zu verlieren. Warum hatte er auch an diesen fünf unheilvollen Tagen arbeiten müssen!
    Als ihm ein Schreiber den Vorsteher des Gefängnisses und einen Medjai meldete, nickte er nur und betete, die beiden Männer würden keine weiteren schlechten Nachrichten bringen.
    »Herr«, hob der Vorsteher an, »dieser Mann war zusammen mit drei weiteren auf dem Westufer. Du solltest dir anhören, was er mir berichtet hat.« Er verneigte sich ehrfürchtig und zischte dem Nubier in befehlendem Ton zu: »Los, Nachtanch, erzähle, was du mir gemeldet hast!«
    Der Angesprochene räusperte sich.
    »Du erteiltest uns den Befehl, in die Berge zu jenem Versteck zu gehen, um den Mann festzunehmen, der dort auf die Edelsteine wartet ...« Verlegen starrte der dunkelhäutige Mann auf seine Zehenspitzen und rieb die Handflächen an seinem staubigen Schurz trocken. »Verzeih meine Kühnheit, Herr. Ich überlegte mir, dass der Mann sicher nicht in dem Versteck auf uns warten würde. Vielmehr hegte ich die Vermutung, dass er von einem sicheren Standort das Versteck im Auge behalten wird, bis der Bote mit der Bezahlung erscheint und wieder geht. Ich führte meine Leute in das Bergmassiv, wo sie sich weiträumig verteilen sollten. Ich hatte mir nämlich überlegt, dass der Mann nicht ewig in seinem Versteck warten konnte und irgendwann zum Vorschein kommen würde. Und ich wurde für meine Ausdauer belohnt. Heute Morgen, kurz bevor Re von Nut wiedergeboren wurde,

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