Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
Vom Netzwerk:
das der Wahrheit?«
    »Ja und nein, Hoher Herr. Ja, ich wurde unschuldig bestraft, da ich nicht im Teich gebadet habe. Nein, ich habe mich nicht an meinem Herrn gerächt und ihn mit einer Keule niedergeschlagen.« Satra nahm all ihren Mut zusammen und sah dem Wesir fest in die Augen.
    »Mir liegen die Aussagen zweier Zeugen vor, die gesehen haben, wie du mit der blutverschmierten Waffe in der Hand neben deinem am Boden liegenden Gebieter standest und im Begriff warst, wegzulaufen.«
    »Verzeih, Erhabener, wiederum ja und nein. Ich hatte die Keule aufgenommen, um sie mir anzusehen. Ich wollte aber nicht weglaufen. Ich wollte Hilfe holen, als die beiden Wächter herbeigestürzt kamen. Ich habe ihnen noch etwas zugerufen, was es genau war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie überwältigten mich, und einer schlug mich bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, lag ich an Armen und Füßen gefesselt in einer kleinen dunklen Zelle. Am nächsten Tag wurde ich nach Theben gebracht.«
    »Hast du Beweise für deine Behauptungen?«
    Resigniert schüttelte Satra den Kopf.
    Wie sollte sie dafür Beweise haben? Trotzdem gedachte sie nicht, klein beizugeben.
    Seitdem sie aus ihr unerklärlichen Gründen in dieser Zeit gelandet war, hatte man immer nur auf ihr herumgetrampelt. Erst Senbi und seine Gesellen, die sich schamlos an ihr vergangen und sie windelweich geprügelt hatten, sodass sie schließlich so eingeschüchtert gewesen war, sich ihnen zu fügen. Dann war sie für ein Verbrechen, das sie niemals begehen wollte, fast zum Tode verurteilt worden, hatte grundlos beim Tod des Thronfolgers Prügel bezogen, und nun stand sie erneut für eine Tat vor Gericht, die sie nicht zu verantworten hatte. Das war zu viel. Nicht nur ihr Selbsterhaltungstrieb, sondern auch ihr allmählich wieder zum Leben erwachendes freies Bewusstsein rebellierte dagegen.
    Sie straffte den Rücken. »Leider nicht. Ich denke aber, die Aussage der beiden Wachen, sie hätten mich mit der blutverschmierten Waffe in der Hand neben meinem Herrn stehen sehen, beweist noch lange nicht, dass ich ihn auch niedergeschlagen habe. Da es keinen Zeugen gibt, der aussagen kann, er hätte es mit eigenen Augen gesehen, ist alles andere reine Spekulation und darf somit ohne weitere Beweise nicht die Grundlage für eine Verurteilung sein. Ich kann nicht beweisen, dass ich es nicht getan habe, aber das hohe Gericht kann mir auch nicht eindeutig eine Schuld nachweisen. Somit gilt in dem Land, aus dem ich komme, der Grundsatz: Im Zweifelsfalle für den Angeklagten. Also Freispruch aus Mangel an Beweisen.«
    Die Mitglieder des Richterkollegiums sahen sich verwundert an.
    Nehi hingegen war sprachlos.
    In seiner Laufbahn war es noch niemals vorgekommen, dass ein Angeklagter Pharaos Obersten Richter gesagt hatte, wie der Urteilsspruch ausfallen müsste und warum. Sicher behaupteten alle, dass sie unschuldig seien und deshalb nicht bestraft werden dürften. Diese Frau jedoch hatte ihm eben eine Auslegung des Rechts geboten, die ihm die Sprache verschlug.
    Wer war diese Fremde, an der nicht nur Seine Majestät, sondern auch der Zweite Prophet des Amun Interesse bekundet hatte?
    Er räusperte sich. »Wir befinden uns in Kemi, Satra, nicht in deinem Land, wo immer das auch sein mag. Deshalb erzähle mir, was an jenem Abend geschehen ist.«
    Ergeben verneigte sich die Dienerin und hob an zu berichten: »Mein Gebieter Amunhotep hatte mir erlaubt, in den Park zu gehen, wo ich meine freie Zeit am Teich verbringen darf. Nach der Hitze des Tages war es etwas kühler geworden, und so blieb ich länger als sonst dort sitzen. Ich hatte den Schreiber meines Gebieters zweimal das Verwaltungsgebäude der Priester betreten und wieder verlassen sehen, und so sagte ich mir, dass mein Herr noch arbeiten würde. Ich hielt die Augen geschlossen und döste vor mich hin, als ich einen dumpfen Aufprall vernahm. Als ich mich umdrehte, sah ich eine Gestalt zwischen den Bäumen in Richtung der Unterkünfte der niederen Priester verschwinden. Dann fand ich meinen Gebieter am Boden liegen und bemerkte die riesige Wunde an seinem Kopf.« Betrübt seufzte Satra bei dieser Erinnerung. »Ich nahm die Keule, die neben ihm lag, und dann kamen auch schon die beiden Wachmänner angerannt.«
    »Hast du die Gestalt erkennen können, die weggelaufen ist?«
    »Nein, Tjati, aber es war ein Mann. Da bin ich mir sicher. Zudem war er nicht sehr groß.« Satra deutete mit ihrer Hand an, dass er ihr ungefähr bis zum Kinn

Weitere Kostenlose Bücher