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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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sympathischste. Warum, das konnte sie nicht sagen. Das allein war aber noch lange kein Grund, an seine oder die Existenz übernatürlicher Wesen zu glauben. Sie hatte immer gesagt, dass sie erst das Vorhandensein von Göttern akzeptieren könne, wenn sie einem leibhaftig gegenüberstehen würde. Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte diese Begegnung im Vorhof des Tempels stattgefunden. Sie war jedoch zu stolz, um sich das einzugestehen.
    Die Schmerzen wurden unerträglich.
    Mitleidig sah Netnebu auf die Dienerin hinab, die sich vor ihm auf den Knien krümmte.
    »Ich kann dir nicht helfen. Niemand kann das. Nur du allein bist dazu imstande.« Er erhob sich wieder und ließ sie allein.
    In der kommenden Nacht machte Satra kein Auge zu. Immer wieder musste sie über die Worte des Vorlesepriesters nachdenken. Anfangs war sie erstaunt gewesen, dass Netnebu darüber Bescheid zu wissen schien, aber nicht nur er. Sie hatte die überraschten und abschätzenden Blicke von Paheri und Ipuwer bemerkt, die diese der Tätowierung schenkten. Auch dem Vorsteher der niederen Priesterschaft und dem des Lebenshauses war sie anscheinend bekannt. Dagegen schienen Maiherperi, Turi, Ipuki und selbst Hekaib keine Ahnung zu haben, um was es sich dabei handelte.
    ..  und vielleicht wird dann Amunhotep, dein Herr und Gebieter, auch wieder gesund
, gingen ihr Netnebus Worte durch den Kopf.
    ... und wenn ich das heilige Mal richtig deute, so ist dein Schicksal mit dem von Amunhotep verknüpft.
    Wenn das wirklich so war, würde es dann bedeuten, dass sie sich nur Osiris und ihrem Schwur beugen müsste und im Handumdrehen wäre der Oberpriester wieder bei bester Gesundheit?
    So ein Blödsinn!, dachte Satra und drehte sich auf ihrem Lager auf die andere Seite, sodass sie dem Wachposten den Rücken zukehrte.
    Warum soll das Blödsinn sein?
, meldete sich eine Stimme in ihrem Innersten.
Netnebu ist Vorlesepriester und hat aufgrund seiner Kenntnisse der Rituale, genau wie dein Gebieter, magische Fähigkeiten. Er ist in die geheimsten Schriften eingeweiht und weiß, wovon er redet. Also akzeptiere, was vorgefallen ist, und beuge dich den Göttern.
    Und wenn ich es nicht tue?
    Dann werden die Schmerzen immer stärker werden, bis du kapitulierst und dein Schicksal akzeptierst.
    Das ist Folter, Tyrannei, rohe Gewalt!
    Nein, Sarah, das ist die göttliche Macht, der sich jeder Sterbliche zu beugen hat. Du hast einst beschlossen, dein Herz vor den Göttern zu verschließen. Osiris hat es geöffnet und davon Besitz ergriffen.
    Ach, lass mich in Ruhe! Das ist alles Unsinn!
    Dann versuche es doch! Stelle dich dem Großen Gott Osiris Auge in Auge und widerstehe seiner göttlichen Macht.
    Ja, ja, dachte Satra und gähnte herzhaft, aber nicht mehr heute Nacht. Vielleicht morgen.
    Am nächsten Tag hatten ihre Schmerzen nachgelassen, und sie konnte es kaum erwarten, dass Netnebu um die Mittagsstunde erschien. Als er endlich vor ihr stand, wagte sie das Wort an ihn zu richten, aber so, dass Maiherperi sie nicht verstehen konnte.
    »Hoher Herr, was müsste ich tun, wenn ich mich Osiris ergeben wollte?«
    »
Ergeben
, Satra?« Der Vorlesepriester sah sie verstört an. »Wäre
ergeben
das Wort, das du gebrauchen würdest, wenn du dich entschließt, Osiris zu dienen?«
    Unschlüssig zuckte Satra mit den Schultern. »Ja, warum nicht?«
    »Weil es dann sinnlos ist. Du kannst einem göttlichen Wesen nur dienen, wenn du es aus Liebe tust und nicht, weil du dazu gezwungen wirst.«
    Nachdenklich senkte Satra den Kopf.
    Netnebu hatte recht. Würde sie nur nachgeben, um den Schmerzen ein Ende zu bereiten, würde sie all ihre Aufgaben und Pflichten mit Widerwillen erfüllen. Täte sie es aber aus völliger Überzeugung, wäre es für sie ein Bedürfnis, dem Großen Gott Osiris, dem Pharao und ihrem Herrn zu dienen. Doch diese Überzeugung hatte sie noch nicht erlangt.
    Warum war Osiris nur so hartherzig? Hatte sie nicht auch ohne den Glauben an ihn Amunhotep treu und ergeben gedient? Sie stand zwar noch nicht lange in den Diensten des Oberpriesters; es bereitete ihr aber keinerlei Schwierigkeiten, sich seinen Befehlen unterzuordnen. Bei Senbi hatte sie sich auch untergeordnet, aber nur, weil Senbi sie mit brutaler Gewalt beherrscht hatte. Amunhotep war anders. Ihm zu gehorchen, fiel ihr leicht, und es tat ihr weh, ihn nun so hilflos auf seinem Bett liegen zu sehen und nichts dagegen tun zu können.
    Aber du kannst etwas dagegen tun
, wisperte die Stimme in ihr.
    »Aber was?«,

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