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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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schicken?«, erkundigte sich der Wab, und erneut verneinte Ipuwer.
    »Das wird nicht nötig sein. Ich habe noch etwas von der Medizin, die Netnebu mir vorgestern verabreicht hat. Das genügt.« Er drehte sich um und schlich in Richtung des Wohnbereichs der oberen Priesterschaft, der vor den Vorratsspeichern des Gottes lag.
    Mitfühlend sah der niedere Priester ihm hinterher.
    Es war bekannt, dass der zweitmächtigste Mann im Osiris-Tempel seit geraumer Zeit an einer empfindlichen Magen- und Darmverstimmung litt und deshalb ab und an das Bett hüten musste. Vor drei Tagen war es sogar passiert, dass er während der heiligen Morgenriten aufgesprungen und stöhnend in Richtung des Abortes verschwunden war. Djefahapi hatte ihn dafür getadelt, ihm aber erlaubt, für einen Tag seinen Pflichten fernbleiben zu dürfen, um sich zu erholen.
    Ipuwer strebte auf sein Haus zu, das sich rechter Hand von dem des Oberpriesters befand, und ging schnurstracks in sein Schlafgemach. Seinen herbeieilenden Leibdiener wies er an, dass er nicht gestört werden wolle, da er sich nicht wohlfühle.
    Der Diener verneigte sich und schloss leise die Tür hinter ihm.
    Ipuwer legte seine Kleidung ab und setzte sich auf die Kante des Bettes.
    Er war jetzt dreiundvierzig Jahre alt und diente seit fünfzehn Jahren dem Großen Gott Osiris. Er hatte es bis zum Schatzmeister gebracht, aber er strebte nach mehr. Er wollte die absolute Macht über Abydos, er wollte Djefahapis Amt, das Amt des Oberpriesters! Und nun schien dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt zu sein.
    Seine Hand glitt hinter das Kopfteil des Bettes, wo sich eine Vertiefung befand, aus der er zwei kleine Phiolen entnahm. Der Inhalt der einen enthielt ein auf Rizinus basierendes starkes Abführmittel und das andere ein langsam wirkendes Gift. Beides hatte sich Ipuwer schon vor zwei Wochen besorgt. Als mächtigstem Mann nach dem Oberpriester gab es für ihn keinen Bereich im Tempel, den er nicht betreten durfte. Seine Kenntnisse über Heilkräuter und Gifte, die er sich während seiner Zeit als Priester im Tempel der Göttin Sechmet in Memphis angeeignet und seitdem ständig erweitert hatte, waren ihm dabei zugutegekommen.
    Er betrachtete die beiden Ampullen und legte die mit der todbringenden Substanz auf den Tisch gegenüber dem Bett. Dann entstöpselte er die andere und roch angewidert an ihrem Inhalt. Ipuwer wusste, dass er die Flüssigkeit trinken und deren Wirkung über sich ergehen lassen musste, damit niemand Verdacht schöpfen konnte, aber er zögerte diesen Moment noch ein wenig hinaus.
    Als vor einem Monat Djefahapi bei ihm erschienen war und ihm mitgeteilt hatte, dass er mit dem Beginn der Aussaat Bauern und Leibeigene befreundeten Beamten aus Abydos zur Verfügung stellen wolle, hatte er nur mit den Schultern gezuckt. Es war nichts Neues, dass der Oberpriester gegen eine gute Bezahlung Arbeitskräfte verlieh. Das geschah fast jedes Jahr. Dieses Mal aber wollte Djefahapi auch einige Handwerker der Tempelbaustelle zum Bau seines neuen Landsitzes in der Nähe von Memphis abziehen sowie Granit für die Fußböden veruntreuen.
    Djefahapi musste Ipuwer darüber informieren, denn es war ihm klar, dass Ipuwer diesen Diebstahl bemerken würde. Ipuwer wollte allerdings mit solchen Dingen nichts zu tun haben und hatte sich anfangs Djefahapi widersetzt. Der alte Oberpriester hatte jedoch ein Druckmittel gegen ihn in der Hand, welchem sich der Schatzmeister letztlich beugen musste. Zähneknirschend hatte er versprochen, nichts von alledem der Obrigkeit zu melden, hatte es aber abgelehnt, sich bei diesen Machenschaften zu bereichern.
    Ipuwer stand auf, kippte das Abführmittel in eine Schale und goss etwas von dem abgestandenen Bier hinzu, das in einem Krug daneben stand. Er nahm die Schale und setzte sich wieder auf sein Bett. Vorher platzierte er die leere Phiole wieder an ihrem alten Platz.
    Nachdem Djefahapi ihn in seine Pläne eingeweiht hatte, hatte Ipuwer seine Chance kommen gesehen, den Oberpriester zu stürzen und an dessen Stelle an die Spitze der Priesterschaft zu treten. Er hatte den anonymen Brief an den Wesir geschrieben, in dem er sich als Steinmetz ausgab, und der Wesir hatte angebissen. Nun war die kemitische Gerichtsbarkeit in Gang gesetzt. Die einzige Bedrohung stellte nur noch Djefahapis Wissen dar.
    Ipuwer hielt die Luft an und stürzte das Ekel erregende Gebräu aus Abführmittel und Bier hinunter. Dann stellte er die Schale zurück auf den Tisch und wartete.
    Es

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